Der Artikel erschien 2001 in den DPMA-Erfinderaktivitäten.
Dipl.-Phys. Uwe Gebranzig
Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über wichtige Erfindungen auf dem Gebiet der Fernsehtechnik und erläutert deren Verwirklichung an Hand der Patentliteratur.
Am Weihnachtsabend des Jahres 1883 kam dem Studenten der Mathematik und Naturwissenschaften Paul Nipkow in Berlin die noch heute tragende Grundidee des Fernsehens, ein Bild beim Sender zeilenweise zu zerlegen und beim Empfänger zeilenweise wieder aufzubauen. Paul Nipkow meldete diese Erfindung im Januar des Jahres 1884 beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin zum Patent an und erhielt hierfür im Januar des Jahres 1885 das Patent 30105 [1,2,3].
Die technische Verwirklichung der Grundidee von Paul Nipkow besteht darin (Figur 1), das Bild einer Szene im Sender mit einer ersten rotierenden spiralgelochten Scheibe (Nipkowscheibe) Zeile für Zeile mosaikartig in kleine Punkte zu zerlegen, deren Signale zu übertragen und aus diesen im Empfänger mit einer mit der ersten Scheibe synchron rotierenden zweiten spiralgelochten Scheibe das Bild der Szene wieder zusammenzusetzen. Die Signale werden senderseitig mit einer hinter der ersten Nipkowscheibe angeordneten Photozelle erzeugt und steuern im Empfänger die Helligkeit einer durch die zweite Nipkowscheibe betrachteten Lichtquelle.
Auf Grund der erforderlichen Synchronisation der rotierenden Nipkowscheiben stößt eine praktische Verwirklichung der Idee von Paul Nipkow empfangsseitig auf Schwierigkeiten.
Der in St. Petersburg tätige Physiker Boris Ivovitsch Rosing überwindet diese Schwierigkeiten im Jahre 1907 mit einem mit rein elektronischer und daher leicht synchronisierbarer Bildwiedergabe arbeitenden Fernseh-System [2].
Bei diesem Fernseh-System (Figur 2) erfolgt die senderseitige Bildabtastung mit Hilfe rotierender Vielfachspiegel, und damit zwar noch mechanisch. Zur Bildwiedergabe wurde aber bereits die heute noch als Bildröhre übliche und von dem Physiker Karl Ferdinand Braun im Jahre 1897 erfundene, trägheitslos steuerbare Braunsche Röhre eingesetzt.
Damit hat Boris Ivovitsch Rosing bereits im Jahre 1907 den noch heute üblichen vollelektronischen Fernsehempfänger vorgeschlagen.
Manfred von Ardenne, der es mit seiner bereits im Alter von 19 Jahren 1926 erfundenen Dreifachröhre ermöglichte, den Preis für ein Rundfunkgerät auf ein Drittel zu senken, hat im Alter von 23 Jahren die Idee, zur Bildabtastung den Leuchtfleck einer Braunschen Röhre zu nutzen [1,2,3,4,5,6,7].
Am Weihnachtsabend des Jahres 1930 gelingen ihm dann die ersten rein elektronischen Fernsehübertragungen mit Braunschen Röhren auf der Sender- und Empfängerseite [2].
Auf der Berliner Funkausstellung des Jahres 1931 führte Manfred von Ardenne seine rein elektronischen Fernsehübertragungen der Öffentlichkeit vor.
Der Farbfernseherfinder Walter Bruch schrieb von dieser Vorführung, sie sei die Welturaufführung der heutigen Fernsehtechnik mit Elektronenstrahlen gewesen [7].
Das Jahr 1931 gilt daher als das Geburtsjahr der heutigen elektronischen Fernsehgeräte [4,6].
Auf Grund ihrer Einfachheit dienen Leuchtfleck-Abtaster auch heute noch der Abtastung von Filmen [6,8].
In der DE 4310325A1 wird ein der Idee von Manfred von Ardenne entsprechender Leuchtfleck-Abtaster für Kinofilme beschrieben (Figur 3). Die Filmbilder werden durch den wandernden Leuchtfleck einer Kathodenstrahlröhre abgetastet. Dazu beschreibt der Leuchtfleck auf der Leuchtstoffschicht an der Innenseite der Frontplatte der Kathodenstrahlröhre ein Abtastfeld. Das vom Film durchgelassene Licht wird von Fotovervielfachern über zugeordnete dichroitische Spiegel aufgefangen, so dass die Fotovervielfacher den drei Primärfarben Rot, Grün und Blau entsprechende Ausgangssignale abgeben. Diese Ausgangssignale werden nach ihrer Analog/Digital-Wandlung einem Bildspeicher zugeführt, aus dem dann den Filmbildern entsprechende Fernsehbilder ausgelesen werden können.
Da der Leuchtfleck-Abtaster von Manfred von Ardenne auf der Senderseite mit einer Braunschen Röhre und einer Photozelle arbeitet, ist er zwar für die Fernsehübertragung von Diapositiven und Kinofilmen besonders gut geeignet [4,6]. Für die Fernsehübertragung einer Ansagerin dagegen ist wegen des erforderlichen Zusammenspiels von Braunscher Röhre und Photozelle ein besonderer Aufwand erforderlich [5].
Vladimir Kosma Zworykin, ein Schüler von Boris Ivovitsch Rosing erfand im Jahre 1933 das in seiner Arbeitsweise dem menschlichen Auge entsprechende, noch heute übliche Ikonoskop und ermöglichte damit den Siegeszug des Fernsehens [2,6,8,10].
Im Ikonoskop (Figur 4) wird auf Grund des Photoeffektes von der aufzunehmenden Szene ein Ladungsbild erzeugt, das von einem Elektronenstrahl abgetastet wird [8].
Das Prinzip, von der aufzunehmenden Szene ein Ladungsbild zu erzeugen und dieses dann abzutasten, liegt noch heute allen elektronischen Kameras zu Grunde [8,10,13].
Einen weiteren großen Fortschritt macht die Fernsehtechnik mit dem Farbfernsehen, wobei das NTSC-, das SECAM- und das PAL-Verfahren eingeführt wurden [9,10,11,12,13,15].
Diese Verfahren bestehen darin, zwei Farbsignale Farbträgern aufzumodulieren und die dabei gebildeten Modulationsprodukte dem Leuchtdichtesignal aufzuaddieren.
Bei dem im Jahre 1953 in den USA als eine Gemeinschaftsleistung mehrerer amerikanischer Firmen eingeführten NTSC-Verfahren (NTSC = National Television System Commitee) werden im Sender die Amplituden eines Farbträgers und des um 90 Grad phasenverschobenen Farbträgers mit den beiden Farbsignalen jeder Zeile moduliert und zueinander addiert (Figur 5). Dieses Modulationsverfahren ist in der Nachrichtentechnik als Quadraturamplitudenmodulation (QUAM) bekannt. Der Amplitude des dabei gebildeten Signals entspricht die Farbsättigung, der Phase die Farbart [9,11,13,15].
Zwischen den Zeilen wird der unmodulierte Farbträger als Bezugssignal übertragen, um mit dessen Hilfe im Empfänger aus dem quadraturmodulierten Farbträger die Farbsignale zurückzugewinnen (Figur 6).
Ein Nachteil des NTSC-Verfahrens besteht darin, dass auf dem Übertragungsweg häufig Phasenfehler des Farbträgers auftreten und diese sich bei der Bildwiedergabe als unnatürliche Farbtöne sehr störend bemerkbar machen.
Die störende Phasenempfindlichkeit des NTSC-Verfahrens war Anlass, nach anderen Übertragungsverfahren für das Farbfernsehen zu suchen.
Der französische Physiker Henry de France vermeidet mit seinem im Jahre 1957 vorgeschlagenen SECAM-Verfahren die dem NTSC-Verfahren wegen der Quadraturamplitudenmodulation des Farbträgers anhaftende Empfindlichkeit gegenüber Phasenfehlern dadurch, dass die beiden Farbsignale nicht gleichzeitig wie beim NTSC-Verfahren, sondern im zeilenweisen Wechsel nacheinander übertragen werden (DE-AS 1044154, US-PS 2993086).
Beim SECAM-Verfahren geht man davon aus, dass sich die Farbinformation von Zeile zu Zeile meist nur geringfügig ändert und das menschliche Auge eine Verringerung der Farbauflösung bis zu einem gewissen Grad nicht als störend empfindet und es daher ausreicht, in jeder Zeile nur eines der beiden Farbsignale zu übertragen.
Um für die Bildwiedergabe zu jeder Zeile eine vollständige Farbinformation zu erhalten, werden beim SECAM-Verfahren im Empfänger die Farbsignale aufeinanderfolgender Zeilen unter Mitwirkung einer als Zwischenspeicher dienenden Verzögerungsleitung gleichzeitig verfügbar gemacht (SECAM = sequentielle a memoire).
Im übrigen ist das SECAM-Verfahren in der Literatur ausführlich beschrieben [9,11,12,13,15].
Da die Farbsignale beim SECAM-Verfahren durch Frequenzmodulation zweier Farbträger unterschiedlicher Ruhefrequenzen übertragen werden, enthalten die empfängerseitigen SECAM-Dekoder zur Demodulation der Farbträger Frequenzdiskriminatoren.
Die DE-OS 2113937 zeigt einen SECAM-Dekoder (Figur 7), der mit einem einzigen Frequenzdiskriminator zur Demodulation der mit den Farbsignalen frequenzmodulierten Farbträger auskommt. Hierzu wird der Frequenzdiskriminator von Zeile zu Zeile auf die jeweilige Farbträgerruhefrequenz umgeschaltet. Eine dem Frequenzdiskriminator nachgeschaltete Verzögerungsleitung verzögert die Farbsignale um eine Zeile. Auf diese wird für die beim SECAM-Verfahren nacheinander übertragenen Farbsignale im Empfänger eine Gleichzeitigkeit simuliert [9]. Damit wird erreicht, dass die Farbsignale aufeinanderfolgender Zeilen am Ausgang des SECAM-Dekoders gleichzeitig zur Verfügung stehen [13].
Walter Bruch verbesserte das NTSC-Verfahren unter Beibehaltung der Quadraturamplitudenmodulation des Farbträgers durch senderseitige und empfängerseitige Maßnahmen dahingehend, dass die bei der Übertragung auftretenden und sich beim NTSC-Verfahren für den Fernsehzuschauer als Farbtonverfälschungen sehr störend bemerkbar machenden Phasenfehler des Farbträgers kompensiert und dabei in für den Fernsehzuschauer kaum wahrnehmbare Farbsättigungsfehler überführt werden [9,13,15].
Erreicht hat Walter Bruch dies mit seinem PAL-Verfahren im Jahre 1962 dadurch, dass im Sender einer der beiden Farbträger von Zeile zu Zeile um 180 Grad in der Phase umgeschaltet wird und im Empfänger die Farbsignale aufeinanderfolgender Zeilen zur Kompensation der Phasenfehler addiert werden (DE-PS 1252731).
Von dem zeilenweisen Phasenwechsel des Farbträgers kommt die Bezeichnung PAL (Phase Alternation Line).
Der große Vorteil des PAL-Verfahrens besteht darin, dass mit einer nur geringfügigen Abwandlung des NTSC-Verfahrens dessen Phasenempfindlichkeit vermieden und dadurch eine hohe Farbstabilität erreicht wird.
Bei dem in der DE-PS 1252731 beschriebenen PAL-Dekoder (Figur 8) werden die Farbsignale aufeinanderfolgender Zeilen unter Mitwirkung einer als Zeilenspeicher dienenden Verzögerungsleitung und zweier Addierstufen addiert und damit die angestrebte Kompensation der Phasenfehler erreicht.
Im August 1967 wird das PAL-Verfahren während der Berliner Funkausstellung für die Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin eingeführt [2,3].
Das PAL-Verfahren hat sich wegen seiner hervorragenden Farbstabilität in über 65 Ländern der Welt durchgesetzt.
Mit Einführung des Fernsehens entstand der Wunsch, Fernsehbilder auch aufzeichnen zu können.
Eduard Schüller, der schon auf der Funkausstellung in Berlin im Jahre 1935 das erste Tonbandgerät der Welt vorführte, hat mit dem Schrägspurverfahren im Jahre 1953 das Fernsehaufzeichnungsverfahren erfunden, nach dem heute fast alle Videorecorder der Welt arbeiten (1,2).
Die DE-PS 927999 zeigt eine Vorrichtung zur magnetischen Aufzeichnung und Wiedergabe von Fernsehbildern (Figur 9), bei der eine Kopftrommel mit einem Schreib- und Lesekopf schnell rotiert und dabei von einem langsam bewegten Magnetband spiralförmig umschlungen wird. Dadurch wird das Magnetband von dem Schreib- und Lesekopf entlang schräg verlaufender Spuren beschrieben und abgetastet (Schrägspurverfahren).
Da das Schrägspurverfahren zuverlässig und preiswert ist, hat es sich sowohl im privaten Bereich als auch bei den Sendeanstalten weltweit durchgesetzt [8,14].
Beim programmierten Aufzeichnungsbetrieb von Videorecordern ergibt sich sehr oft das Problem, die automatische Aufzeichnung eines Sendebeitrags auch dann zu gewährleisten, wenn die tatsächliche Ausstrahlungszeit des Sendebeitrags von der angekündigten Soll-Anfangsuhrzeit abweicht.
Zur Lösung dieses Problems hat Benno Jahnel im Jahre 1976 ein Fernsehübertragungssystem vorgeschlagen, bei dem mit jedem Sendebeitrag ein den Sendebeitrag charakterisierendes Kennsignal übertragen wird und dieses Kennsignal bei einem entsprechend programmierten Videorecorder die Aufzeichnung des betreffenden Sendebeitrags auslöst.
Die entscheidende Idee von Benno Jahnel besteht dabei darin (Figur 10), dass das Kennsignal die für den betreffenden Sendebeitrag angekündigte Soll-Anfangsuhrzeit unabhängig von der tatsächlichen Ausstrahlungszeit des Sendebeitrags enthält und mit Beginn und während der gesamten Dauer des Sendebeitrags übertragen wird.
Das von Benno Jahnel erfundene Video-Programmsystem (VPS) bietet den Vorteil, auch bei Änderungen des Beginns und der Dauer eines Sendebeitrags dessen vollständige Aufzeichnung zu gewährleisten. Die Verwendung der bekannten Soll-Anfangsuhrzeit für das Kennsignal erspart den Sendeanstalten die Erstellung und Verwaltung zusätzlicher Kenndaten und ist darüber hinaus auch für den Fernsehzuschauer einfach zu handhaben.
Ohne die genannten Erfinder und ihre Grundideen wären unsere Fernsehgeräte und Videorecorder kaum vorstellbar.
Die große Leistungsfähigkeit und hohe Qualität der heutigen Fernsehtechnik beruhen auf Weiterentwicklungen dieser Grundideen. Diese Weiterentwicklungen haben zu zahlreichen Patenten geführt und sind im übrigen auch in der Literatur eingehend beschrieben [8,9,10,11,12,13,14,15].
Mit dem erreichten hohen Standard ist die stürmische Entwicklung der zuvor an Hand ihrer Meilensteine beschriebenen klassischen Fernsehtechnik ein wenig zur Ruhe gekommen. Die Fernsehtechnik befindet sich nun in einer Phase des Umbruchs, in der es darum geht, die Qualität und die Möglichkeiten des Fernsehens zu verbessern und zu erweitern und hierbei die Vorteile der digitalen Signalverarbeitung zu nutzen [15,16,17,18,19].
Fig. 1: Grundidee des Fernsehens von Paul Nipkow nach DE-PS 30105
Fig. 2: Fernseh-System von Boris Ivovitsch Rosing nach DE-PS 209320
Fig. 3: Leuchtfleck-Abtaster von Manfred von Ardenne nach DE 4310325A1
Fig. 4: Ikonoskop von Vladimir Kosma Zworykin nach US-PS 2133882
Fig. 5: NTSC-Sender nach US-PS 2729697
Fig. 6: NTSC-Empfänger nach US-PS 2729697
Fig. 7: SECAM-Dekoder nach DE-OS 2113937
Fig. 8: PAL-Dekoder von Walter Bruch nach DE-PS 1252731
Fig. 9: Schrägspurverfahren von Eduard Schüller nach DE-PS 927999
Fig. 10: Video-Programmsystem von Benno Jahnel nach DE 2614188C3 und DE 2661055C2
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