Schiedsstellen beim Deutschen Patent- und Markenamt

Ein Streit lässt sich nicht klären? Dann sind unabhängige Schlichter oft hilfreich. Dem Deutschen Patent-und Markenamt sind zwei Schiedsstellen zugeordnet: die Schiedsstelle für Arbeitnehmererfindungen und die Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz.

Ihre Aufgabe ist es, eine außergerichtliche Einigung zu vermitteln. Die Streitthemen in der Praxis sind vielfältig.

Bereich DPMA

Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmer­erfindungen

Regelungen nach dem ArbnErfG

1
Arbeitnehmer

Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin ist verpflichtet, eine während des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindung dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin zu melden.

2
Arbeitgeber

Arbeitgeber oder Arbeitgeberin ist verpflichtet, eine gemeldete Erfindung zum Patent anzumelden und berechtigt, das Recht auf das Patent auf sich überzuleiten.

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Dann erhält der Arbeitnehmer beziehungsweise die Arbeitnehmerin dafür einen Vergütungsanspruch.

Pfeil

Haben Sie gewusst, dass mehr als 90 Prozent der Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen beim DPMA auf Erfindungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beruhen, und dass das Recht auf das Patent zunächst gar nicht dem Unternehmen zusteht, sondern der Erfinderin oder dem Erfinder?

Denn obgleich Arbeitsergebnisse arbeitsrechtlich stets Eigentum des Arbeitgebers sind, gilt das Erfinderprinzip, das heißt, das Recht auf das Patent haben nach § 6 Patentgesetz (PatG) die Erfinderin oder der Erfinder, unabhängig davon, ob die Erfindung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses entstanden ist oder nicht.

Arbeitnehmererfindungen unterliegen somit zwei entgegengesetzten Rechtezuweisungen, die im Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) aufgelöst werden.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gemachte Erfindungen dem Arbeitgeber zu melden. Der Arbeitgeber wiederum ist grundsätzlich verpflichtet, für diese Erfindung Patentschutz für Deutschland zu erwirken, aber auch berechtigt, das Recht auf das Patent in sein Eigentum zu übernehmen. Im Gegenzug wandelt sich das Recht auf das Patent der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers in einen Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber.

Für die Höhe des Vergütungsanspruchs sind nach § 9 ArbEG „die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Erfindung, die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb sowie der Anteil des Betriebs an dem Zustandekommen der Erfindung“ maßgeblich. Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin soll also an den wirtschaftlichen Vorteilen angemessen beteiligt werden (Anteilsfaktor), die dem Arbeitgeber aus dem Recht auf das Patent zufließen (Erfindungswert).

Da der Umfang des Vergütungsanspruchs durch diese unbestimmten Rechtsbegriffe bemessen wird, kann es leicht zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen Unternehmen und seinen Erfinderinnen und Erfindern kommen, die aber möglichst nicht zu einer Belastung des Arbeitsverhältnisses werden sollten.

Deshalb hat der Gesetzgeber beim Deutschen Patent- und Markenamt die Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen eingerichtet. Im Regelfall besteht sie aus einem oder einer Vorsitzenden mit der Befähigung zum Richteramt und zwei Patentprüfern oder Patentprüferinnen. Während der oder die Vorsitzende die Tätigkeit dauerhaft ausüben, werden die Patentprüfer oder Patentprüferinnen gezielt nach ihrer besonderen technischen Fachkunde für das jeweilige Schiedsstellenverfahren berufen. So verfügt die Schiedsstelle stets über den bestmöglichen rechtlichen und technischen Sachverstand.

Die Schiedsstelle gibt den am Streit beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitgebern zunächst Gelegenheit, ihren Standpunkt darzulegen und unterbreitet ihnen dann einen Einigungsvorschlag. Nehmen die Beteiligten diesen Vorschlag an, schließen sie einen privatrechtlichen Vertrag, mit dem der Streit beendet wird. Widersprechen sie dem Einigungsvorschlag, gilt das Schiedsstellenverfahren rechtlich als gescheitert und es bleibt den Beteiligten überlassen, ihren Konflikt anderweitig zu lösen, sei es gerichtlich oder außergerichtlich. Häufig tun sie das trotz Widerspruchs auf Grundlage des Einigungsvorschlags, wohingegen es nur selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt.

Die Schiedsstelle ist somit die „erste Adresse“, wenn aufgrund der Dynamik der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung neue erfinderrechtliche Fragestellungen aufgeworfen werden. Deshalb veröffentlicht die Schiedsstelle regelmäßig ausgewählte Einigungsvorschläge in anonymisierter Form.

Ablauf Schiedsstellenverfahren

Arbeitgeber

Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite
erhalten Gelegenheit, ihren jeweiligen Standpunkt darzulegen

Arbeitnehmer

Schiedsstelle
unterbreitet einen Einigungsvorschlag

Annahme des Vorschlags
Gütliche Einigung: Die Beteiligten schließen dadurch einen privatrechtlichen Vertrag, durch den der Streit beendet wird.

Widerspruch gegen den Vorschlag
Schiedsstellenverfahren gilt als gescheitert. Es bleibt den Beteiligten überlassen, ihren Konflikt anderweitig — gerichtlich oder außergerichtlich — zu lösen.

Dazu zählten im Jahr 2022 unter anderem folgende Fragestellungen:

  • Anpassung der seit 1983 unveränderten Lizenzsatzstaffel – Arb.Erf. 64/20
  • betrieblicher Verbesserungsvorschlag und erfinderrechtlicher Vergütungsanspruch – Arb.Erf. 16/21
  • Mitwirkung des Erfinders am Anmeldeverfahren – Arb.Erf. 32/19
  • eine benutzte Erfindung realisiert sich nicht im Produktumsatz – Arb.Erf. 13/21
  • bei Übertragung des Patents an den Erfinder gültiger Lizenzvertrag am Patent und Reichweite eines vom Arbeitgeber bei Schutzrechtsübertragung vorbehaltenen Nutzungsrechts – Arb.Erf. 42/20

Einzelheiten zu diesen und anderen ausgewählten Entscheidungen der Schiedsstelle und weitere Informationen zur Schiedsstelle und zum Arbeitnehmererfinderrecht finden Sie auf unseren Internetseiten.

Schiedsstelle nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen
Schiedsstellen­verfahren - Anträge und Erledigungen20182019202020212022
Eingang von Anträgen 71 61 66 53 60
Erledigungen von Schiedsstellenverfahren
Einigungsvorschläge und Vergleiche 47 43 44 44 43
Annahmequote in % 68,0 76,7 50,0 65,9 67,4
Nichteinlassung auf das Verfahren 15 9 19 16 6
Sonstige Erledigungen, insbesondere durch Antragrücknahme, Beschluss, infolge Zwischenbescheid etc. 5 6 9 8 2
Summe Erledigungen 67 58 72 68 51
Am Jahresende anhängige Schiedsstellenverfahren 91 94 88 73 82
Bereich DPMA

Schiedsstelle nach dem Verwertungs­gesellschaften­gesetz

Wer urheberrechtlich geschützte Werke nutzen möchte, benötigt hierfür die Erlaubnis der Rechtsinhaber und -inhaberinnen. Weil es für Nutzerinnen und Nutzer auf der einen und Urheberinnen und Urhebern auf der anderen Seite sehr aufwändig wäre, für jeden Einzelfall eine Vereinbarung zu treffen, werden die Rechte in vielen Bereichen durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Nutzerinnen und Nutzer können sie dann von diesen und damit „aus einer Hand“ erwerben. Beispielsweise können so die Inhaber oder Inhaberinnen von Gaststätten und Diskotheken, aber auch Radiosender oder Streaming-Anbieter die für die Musikwiedergabe erforderlichen Urheberrechte zentral bei der Verwertungsgesellschaft GEMA erwerben. Das vereinfacht den Rechteerwerb zwar für beide Seiten, birgt wie jedes Monopol aber auch Risiken. Deshalb sind Verwertungsgesellschaften verpflichtet, Rechte zu angemessenen Bedingungen zu vergeben. Insbesondere bei Streitigkeiten über die Höhe der angemessenen Vergütung oder zur Festsetzung eines Gesamtvertrages, in dem eine Nutzervereinigung die Rahmenbedingungen der Lizenzierung mit der Verwertungsgesellschaft vereinbart, können die Parteien die Schiedsstelle anrufen.

Wie auch schon in den Vorjahren ist es der Schiedsstelle auch 2022 gelungen, die Zahl der anhängigen Verfahren zu verringern. 61 neuen Anträgen — darunter auch erstmals ein Antrag auf Durchführung einer selbstständigen empirischen Erhebung nach § 93 VGG sowie ein Antrag auf Festsetzung eines Gesamtvertrages — stehen 111 erledigte Verfahren — davon zwei Gesamtvertragsverfahren — gegenüber.

So hat die Schiedsstelle beispielsweise im Berichtszeitraum in einem Verfahren (Sch-Urh 5/22) über die Nutzung des im Juni 2021 neu eingeführten Leistungsschutzrechts der Presseverleger einstweilige Regelungen vorgeschlagen, die bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine rechtssichere Nutzung gegen Zahlung einer Vergütung ermöglichen.

In dem Verfahren Sch-Urh 15/19 hat die Schiedsstelle einen Gesamtvertrag für das werbefinanzierte Music-on-demand-Streaming vorgeschlagen, wie es beispielsweise auch die Plattform YouTube anbietet. Sie ist dem Argument der Verwertungsgesellschaft nicht gefolgt, ihr sei der Abschluss eines solchen Gesamtvertrages nicht zumutbar, weil voraussichtlich nur wenige Mitgliedsunternehmen des Verbandes dem Vertrag beitreten würden. Inhaltlich hat sich die Schiedsstelle an einem von den Parteien in der Vergangenheit geschlossenen Gesamtvertrag orientiert und — abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Dienstes — Vergütungssätze zwischen 8,25 Prozent und 10,25 Prozent der durch die Musiknutzung erzielten Einnahmen, mindestens jedoch zwischen 0,00025 EUR und 0,00375 EUR pro Stream, vorgeschlagen.

Die in dem Verfahren (Sch-Urh 129/18) streitige Frage, ob die Verwertungsgesellschaften auch dann eine Vergütung fordern können, wenn Universitätsbibliotheken auf Einzelbestellungen Kopien von Artikeln anfertigen und die Universität diese ausschließlich an die dort eingeschriebenen Studenten und Studentinnen versendet, hat die Schiedsstelle bejaht. Sie hat aber bei der Höhe der im vorgeschlagenen Gesamtvertrag vorgesehenen Vergütung von 0,35 Euro netto je Artikel vergütungsmindernd berücksichtigt, dass die Artikel nicht „fremden“ Studenten und Studentinnen, sondern den an der Universität eingeschriebenen überlassen werden, die meist ohnehin vor Ort Zugriff auf die benötigen Werkexemplare haben und diese dort auch selbst kopieren könnten.

Mit der angemessenen Vergütung für das Streamen von Musik in Filmen über so genannte On-Board-Entertainmentsysteme von Reisebussen hat sich die Schiedsstelle im Verfahren Sch-Urh 23/19 befasst.

Sämtliche hier genannte und weitere Einigungsvorschläge sind auf unseren Internetseiten anonymisiert einsehbar.

Schiedsstelle nach dem Verwertungsgesellschaftengesetz
1 Erstmals im Jahr 2018 erfasst.
Schiedsstellen­verfahren - Anträge und Erledigungen201820192020 2021 2022
Anträge
Eingänge gesamt15914396 58 61
darunter Gesamtverträge nach § 92 Abs. 1 Nr. 3 VGG 5 2 5 1 1
Erledigungen
Durch Einigungsvorschlag der Schiedsstelle 69 67 81 95 56
Teileinigungsvorschlag der Schiedsstelle1 2 0 20 13 0
Beschluss 107 135 126 111 55
Insgesamt (ohne Teileinigungsvorschläge) 176 202 207 206 111
Am Jahresende anhängige Anträge 566 507 396 248 198
Sicherheitsleistung / einstweilige Regelung
Anträge 19 25 3 4 12
Beschlüsse 7 5 32 37 6