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Europäische Patente

Europäische Patente, Einheitspatente und das Einheitliche Patentgericht

Neben dem nationalen Patentsystem gibt es seit den 1970er-Jahren auch ein europäisches Patentsystem. Innerhalb dieses Systems gibt es zwei Schutzoptionen: das europäische Patent, bei dem Anmelder den territorialen Schutzbereich individuell gestalten können, und auch ein neues europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung, das sog. „Einheitspatent“.

Das europäische Patent

Das Europäische Patentamt (EPA) mit Hauptsitz in München führt ein eigenständiges europäisches Patenterteilungsverfahren durch. Grundlage hierfür bildet das externer Link EPÜ, dem 39 Vertragsstaaten angehören, darunter alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie Staaten, die kein Mitglied der EU sind, wie zum Beispiel die Schweiz, Norwegen und die Türkei. Patente, die auf der Grundlage des EPÜ erteilt werden, bezeichnet man als „europäische Patente“. Nach einem einheitlichen Anmelde- und Erteilungsverfahrens besitzt das europäische Patent in jedem EPÜ-Vertragsstaat, für den es erteilt worden ist, dieselbe Wirkung und unterliegt denselben Vorschriften wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent.

Streitigkeiten vor Gerichten

Europakarte mit Länderwimpeln

Einspruch gegen die Patenterteilung durch das EPA kann jedermann innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung der Erteilung beim EPA einlegen. Widerrufen wird ein europäisches Patent, wenn wichtige Voraussetzungen seiner Erteilung, zum Beispiel die Neuheit, fehlen. Auch ein Teilwiderruf des Patents ist möglich. Gegen die Entscheidungen der Prüfungs- und der Einspruchsabteilungen des EPA kann Beschwerde eingelegt werden.

Die Durchsetzung oder Nichtig-Erklärung des europäischen Patents mit Wirkung in Deutschland richtet sich bislang nach nationalem Recht, muss also in Deutschland vor den deutschen Gerichten erstritten werden. Europäische Patente, die das EPA mit Wirkung für Deutschland erteilt hat, können beispielsweise mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht angegriffen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass ein europäisches Einspruchsverfahren nicht mehr anhängig ist oder Einspruch nicht mehr erhoben werden kann. Die Klage kann auf die gleichen Gründe wie im Falle eines Einspruchs beim EPA gestützt werden.

Eine neue Option für Patentschutz - Das europäische Einheitspatent

Seit 1. Juni 2023 gibt es neben nationalen und europäischen Patenten einen zusätzlichen Schutz für Erfindungen in der EU: das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (sog. „Einheitspatent“). Damit gibt es auf EU-Ebene erstmals einen einheitlichen Patentschutz samt einheitlichem Gerichtssystem (siehe dazu die Pressemitteilungen des BMJ externer Link vom 17. Februar 2023 und externer Link vom 30. Mai 2023).

Im Gegensatz zum europäischen Patent, das Schutz in bis zu 39 Vertragsstaaten des EPÜ ermöglicht, bietet das Einheitspatent einheitlichen Schutz nur in denjenigen EU-Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (externer Link EPGÜ) vom 19. Februar 2013 ratifiziert haben, darunter auch in Deutschland. Bislang nehmen 17 Mitgliedstaaten am neuen Einheitspatentsystem teil. Weitere Staaten können sich in den kommenden Jahren ebenfalls für die Teilnahme entscheiden.

Den Antrag auf Eintragung der einheitlichen Wirkung im Register können Anmelder im Anschluss an das Erteilungsverfahren innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung des Erteilungshinweises im Europäischen Patentblatt stellen. Das Einheitspatent wird nicht von den nationalen Patentämtern, sondern zentral vom EPA verwaltet. Anmelder zahlen beispielsweise die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung direkt an das EPA.

Das Einheitspatent ist also eine weitere Schutzoption für Erfindungen - neben dem nationalen deutschen Patent und dem europäischen Patent.

Ausführliche Informationen zum neuen Einheitspatentsystem und zu den teilnehmenden Mitgliedstaaten der EU erhalten Sie beim EPA (externer Link Leitfaden zum Einheitspatent).

Streitigkeiten vor dem Einheitlichen Patentgericht

Rechtsstreitigkeiten rund um das neue Einheitspatent werden vor dem neuen, auf Patente spezialisierten Gericht, dem Einheitlichen Patentgericht (EPG), ausgetragen. Rechtliche Grundlage des einheitlichen Patentgerichtssystems ist das EPGÜ.

Das Gericht ist ausschließlich zuständig für Streitigkeiten über Einheitspatente, wie Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen und Anträge auf einstweilige Verfügungen, aber auch – vorbehaltlich nachstehender Ausnahmen – für Streitigkeiten im Zusammenhang mit europäischen Patenten.

Die Urteile des EPG entfalten in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten eine einheitliche unmittelbare Wirkung. Das Gericht besteht aus einem Gericht erster Instanz, einem Berufungsgericht und einer Kanzlei. Das Gericht erster Instanz umfasst eine Zentralkammer mit Sitz in Paris und einer Abteilung in München sowie vier Lokalkammern in Deutschland und weitere Lokal- oder Regionalkammern in den teilnehmenden Mitgliedstaaten.

Opt-out: Inhaber bestehender europäischer Patente können im bisherigen Gerichtssystem bleiben

Für eine Übergangszeit von sieben Jahren, die um bis zu weitere sieben Jahre verlängert werden kann, können Nichtigkeits- und Verletzungsklagen, die europäische Patente betreffen, weiterhin auch bei den jeweils zuständigen nationalen Gerichten erhoben werden. Zudem kann der Inhaber oder Anmelder eines bereits vor dem 1. Juni 2023 beantragten, bestehenden oder ab dann neu erteilten europäischen Patents die ausschließliche Zuständigkeit des EPG ausschließen, sofern noch keine Klage vor dem EPG erhoben worden ist (sog. "Opt-out"). Die Opt-out-Erklärung muss dem EPG spätestens einen Monat vor Ablauf der Übergangszeit zugehen. Im Fall eines Opt-outs sind weiterhin die jeweiligen nationalen Gerichte für Klagen zuständig.

Eine eigene Verfahrensordnung regelt die Verfahren vor dem EPG; außerdem gibt es eine gesonderte Gebührenordnung für die Zahlungen an das Europäische Patentamt. Weitere Einzelheiten finden Sie hier beim externer Link EPA .

Doppelschutz beim DPMA und beim EPA möglich

Anmelder haben mit Inkrafttreten des EPGÜ künftig in Deutschland die Möglichkeit des Doppelschutzes. Es wird daher möglich sein, für dieselbe Erfindung sowohl ein europäisches Patent beziehungsweise ein Einheitspatent beim EPA als auch ein nationales Patent beim DPMA zu beantragen und zu erhalten. Im Fall eines europäischen Patents ist ein Doppelschutz jedoch nur möglich, wenn für dieses europäische Patent kein Opt-out erklärt wurde.

Einheitspatent oder deutsches Patent?

Bisher wurde für viele europäische Patente nur Schutz in ein bis drei Staaten (und dabei so gut wie immer in Deutschland) beansprucht. Weniger als zehn Prozent aller europäischen Patente werden in mehr als fünf Ländern validiert. Oft kann also in strategischer Hinsicht der kostengünstigere Schutz alleine in Deutschland völlig ausreichend sein. Mehr über die Vorteile eines deutschen Patents erfahren Sie hier.

Der Doppelschutz kann insbesondere im Falle eines Rechtsstreits Vorteile bieten: Wird ein Einheitspatent etwa durch das EPG für nichtig erklärt, besteht der Schutz in Deutschland aufgrund des nationalen Patents fort. Unter bestimmten Voraussetzungen unterliegt dieser Doppelschutz jedoch einer Einschränkung bei der Geltendmachung vor deutschen Gerichten (sog. „Einrede der doppelten Inanspruchnahme“; siehe auch Mitteilung Nr. 6/22 der Präsidentin).

Sofern allerdings bereits ein europäisches Patent erteilt und kein Opt-out erklärt worden ist, besteht die Möglichkeit, Doppelschutz zu erlangen, nur für nationale Patente, die nach dem Inkrafttreten des EPGÜ erteilt werden. Um Anmeldern die Option eines solchen Doppelschutzes offen zu halten, sieht das DPMA für Patentanmelder folgende Übergangsmaßnahmen vor: (i) einen Antrag auf Verlängerung noch laufender Fristen zur Beantwortung eines Prüfungsbescheids und (ii) einen Antrag auf Aufschieben der Entscheidung über die Anmeldung (siehe Mitteilung Nr. 6/22 der Präsidentin).

Deutsches Gebrauchsmuster als Ergänzung

Aus einer europäischen Patentanmeldung mit Wirkung für Deutschland lässt sich außerdem ein deutsches Gebrauchsmuster abzweigen und so schneller Schutz erhalten – selbst für den Fall, dass ein Patent auf europäischer Ebene nichtig wird.

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Nationale Patente, Einheits- und Bündelpatente

Weitere Informationen finden Sie in dem Vortrag „ pdf-Datei Sicherer Schutz: Nationale Patente neben Einheitspatent und Bündelpatent (1,5 MB)“, gehalten anlässlich des Welttags des geistigen Eigentums am 26. April 2023 in Chemnitz.

Bild: iStock.com/koya79

Stand: 31.10.2023