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Hubert Rothe
„Es herrschte großer Optimismus - auch wenn wir nicht alle von den "blühenden Landschaften" überzeugt waren. Die Fusion beider Ämter war ein großer Erfolg, führte teilweise aber auch zu Wunden, die nur langsam heilten.“
Leiter der Hauptabteilung "Information" im DPMA
DPMA:Wie haben Sie die Wendezeit 1989/90 im DPA erlebt?
Hubert Rothe:Für mich war es eine ganz aufregende Zeit, sowohl privat als auch dienstlich. Es herrschte großer Optimismus - auch wenn wir nicht alle von den versprochenen "blühenden Landschaften" überzeugt waren. Die Integration des Patentamts der DDR - wie das AfEP bereits einige Monate vor dem 3. Oktober 1990 hieß - in das Deutsche Patentamt, zunächst in die Dienststelle Berlin in Kreuzberg, verlief größtenteils reibungslos. Es war ein riesiger Kraftakt aller Beteiligten. Ein paar Wermutstropfen gab es: Die Übernahme der Beschäftigten geschah in einzelnen Fällen nicht so, wie sich das manch einer wünschte. Das führte zu Wunden, die zum Teil lange zu spüren waren.
DPMA:Wann haben Sie zum ersten Mal erfahren, dass die Ämter zusammengelegt werden?
Hubert Rothe:An den Tag kann ich mich nicht erinnern. Es war uns allen klar, dass mit dem Beitritt der DDR die Fusion kommen musste.
DPMA:Gab es Überlegungen, das Patentamt wieder nach Berlin zu verlegen?
Hubert Rothe:Eigentlich war das für mich kein echtes Thema – wohl weil sich niemand den Umzug der Münchner Beschäftigten vorstellen konnte. Für die Anwaltskanzleien, die ihre Mandanten auch vor dem Europäischen Patentamt vertreten, wäre dadurch eine große Erschwernis entstanden, vor allem für die Durchführung von Anhörungen und Einspruchsverhandlungen.
DPMA:Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit der Kolleginnen und Kollegen aus Ost und West?
Hubert Rothe:Wir hatten in unserer Abteilung sofort nach dem 3. Oktober Kontakt auf Arbeitsebene zum AfEP aufgenommen. Auf Leitungsebene bestand bereits zuvor ein reger Austausch. Ich erinnere mich, dass sich beide Seiten bemüht haben, vorbehaltslos aufeinander zuzugehen und kollegial zusammenzuarbeiten. Beschäftigte aus der "Mohrenstraße", wie wir damals sagten, weil das ostdeutsche Amt dort ansässig war, kamen nach der Wiedervereinigung fast täglich zu Besprechungen in unsere Berliner Dienststelle und umgekehrt – und häufig auch nach München. Das waren freundliche, konstruktive Gespräche. Zwei Damen waren eines Abends auch bei meiner Frau und mir zuhause zu Gast.
DPMA:Mussten die Kolleginnen und Kollegen der Bibliothek zu Ihnen nach München umziehen?
Hubert Rothe:Nein. Wir konnten die Kolleginnen und Kollegen, die in unsere Abteilung und in meinem Zuständigkeitsbereich übernommen wurden, in Berlin weiter beschäftigen. Nach München umziehen mussten vor allem die Prüferinnen und Prüfer. Für München konnten wir gleich nach der Wende qualifizierte Bewerberinnen aus den neuen Bundesländern einstellen. Sie arbeiten teilweise heute noch bei uns.
DPMA:Wie beurteilen Sie, 30 Jahre danach, diesen unglaublich schnellen Vereinigungsprozess der beiden Ämter?
Hubert Rothe:Ich denke, es war ein Erfolg. Das Positive überwiegt eindeutig. Unsere Dienststelle Berlin in der Gitschiner Straße diente nach dem 3. Oktober als Auffangdienststelle für das Patentamt der DDR. In den folgenden Jahren gab es etliche Änderungen bei bestehenden Aufgaben, die klassische Aktenbearbeitung wurde schrittweise nach München überführt, neue Aufgaben kamen hinzu, die Aufbauorganisation der Dienststelle änderte sich in den darauf folgenden Jahren mehrfach. Das führte nach und nach zu einem starken Personalabbau, vor allem durch die Umzüge der Prüferinnen und Prüfer nach München. Die Folge: Gegen Ende der 90er Jahre herrschte unter der Berliner Belegschaft eine, für uns nachvollziehbare Unsicherheit, ob und wie es mit der Dienststelle weitergehen würde. Ich freue mich, dass es uns gelang, die Dienststelle, das heutige IDZ Berlin, so zu organisieren, dass neue Aufgaben dauerhaft angesiedelt werden konnten. Die Unsicherheit dürfte wohl - ich hoffe dies jedenfalls - weitgehend verschwunden sein.
DPMA:Woran denken Sie heute, wenn Sie an damals denken?
Hubert Rothe:Gerne denke ich an meine drei oder vier Dienstreisen ganz zu Anfang der 90er Jahre nach Berlin. Wir fuhren dann immer von der Gitschiner Straße mit dem Dienstwagen einen kurzen Schleichweg über einen Mauerdurchbruch an einer Nebenstraße zur Mohrenstraße. Die Fahrt dauerte so nur wenige Minuten. Schön war auch die Möglichkeit, gegenüber in der Kantine der Akademie der Wissenschaften der DDR zu Mittag zu essen. Die Akademie war damals noch nicht abgewickelt. Es herrschte zu Anfang in vielen Bereichen beider Ämter eine Aufbruchsstimmung - wenn auch nicht überall.
Ein Glück war, dass das Dienstgebäude in der Gitschiner Straße noch freie Raumkapazitäten hatte, denn einige Bereiche der Mohrenstraße waren baulich in einem weniger guten Zustand. So konnten aus der Bibliothek der Mohrenstraße ein paar Kolleginnen und Kollegen in die Gitschiner Straße umziehen. Später wurde dann das gesamte Gebäude geräumt und saniert. Wenn ich heute einen Besuch im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mache, denke ich an meine Besuche in der Mohrenstraße zurück, denn das BMJV hat seinen Sitz im sanierten ehemaligen Gebäude des AfEP.
Stand: 18.06.2024
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