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Die Jahre 1921 bis 1930: Goldene Zwanziger mit rundem Jubiläum
Zu Beginn des neuen Jahrzehnts war von der Ära, die später als die "Goldenen Zwanziger" berühmt wurde, noch nichts zu spüren. Die katastrophalen Folgen des Ersten Weltkriegs waren allgegenwärtig: Arbeitslosigkeit, Hunger und Inflation prägten das Leben der Menschen.
Doch ab 1924 stellte sich der Aufschwung ein: Nun ging es steil bergauf, sowohl wirtschaftlich als auch sozial. Kunst, Kultur und Wissenschaft erblühten. Dank der neuen, ab 1. Oktober 1920 erweiterten Stadtgrenzen war Berlin mit knapp vier Millionen Einwohnern nun die drittgrößte Stadt der Welt (nach London und New York; flächenmäßig war Berlin - nach Los Angeles - sogar die zweitgrößte) und avancierte schnell zum pulsierenden Zentrum der "Goldenen Zwanziger" in Europa.
Moderne Zeiten im Reichspatentamt
Friedrich von Specht (1860-1930)
Auch im Reichspatentamt war es eine Zeit der rasanten Entwicklungen. Im Frühjahr 1921 kam es zu einem Wechsel in der Amtsleitung. Fortan bestimmte der Jurist Friedrich von Specht die Geschicke der Behörde als Präsident. Und das Amt wuchs und wuchs: In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen 1927 hieß es, die "stetige starke Zunahme aller Dienstgeschäfte machte eine entsprechende Verstärkung des Beamtenkörpers erforderlich". Ende 1926 zählte das Personal 169 (nunmehr ausschließlich hauptamtliche) Mitglieder und 824 "sonstige Arbeitskräfte", darunter 56 Angestellte und 109 Arbeiter.
Die jährlichen Eingänge waren in den 35 Jahren seit 1891 auf das Achtfache angewachsen. Im Jahr 1926 wurden 822 590 Eingänge gezählt: das Gros (70 Prozent) waren Patentsachen, 20 Prozent betrafen Warenzeichen (heute "Marken") und 10 Prozent Gebrauchsmuster.
Inzwischen kümmerten sich 12 so genannte Anmeldeabteilungen, denen jeweils durchschnittlich 12 Mitglieder angehörten, im Reichspatentamt um die Erledigung der Patentsachen. Den Anmeldeabteilungen waren - vergleichbar der heutigen Struktur des DPMA mit 30 Patentabteilungen - Fachgebiete zugewiesen.
Abteilung | Fachgebiet(e) |
---|---|
I | Metallbearbeitung, Explosionsmotoren, Turbinen, Windkraftmaschinen, Kältetechnik |
II | Eisenbahnbetrieb, Kraftwagen, Fahrräder |
III | Landwirtschaft, Müllerei, Schlosserei |
IV | Chemie |
V | Bauwesen, Feuerung, Heizung, Trocknerei |
VI | Berg- und Hüttenwesen, Keramik, Photographie |
VII | Textiltechnik, Lederbe- und -verarbeitung |
VIII | Signal- und Elektrotechnik |
IX | Feinmechanik |
X | Dampfkessel, Hausgeräte |
XI | Luftfahrt, Hebezeuge, Schiffbau, Waffen, Fördertechnik |
XII | Maschinenelemente, Holzbearbeitung |
Arbeit in Zeiten der Inflation
Blick in die Auslegehalle des Reichspatentamtes (1926)
Die erwähnte Festschrift von 1927 gibt außerdem Zeugnis von den Bedingungen, unter denen die Behörde Anfang der 1920er Jahre ihren Aufgaben nachkommen musste: "Auch nach dem Kriege hörte die vermehrte Bewegung in der für das Patentamt maßgebenden Gesetzgebung nicht auf, ganz abgesehen von den in der Zeit des Verfalls der deutschen Währung notwendig gewordenen, die amtliche Geschäftsgebarung unsäglich erschwerenden fortwährenden Änderungen der gesetzlichen Gebührensätze."
Einen besonderen Arbeitsaufwand verursachte zudem die 1920 geschaffene Möglichkeit, die gesetzliche Dauer eines Patents, das kriegsbedingt nicht hatte technisch umgesetzt beziehungsweise wirtschaftlich verwertet werden können, um die Zeit zu verlängern, die in die Kriegsjahre 1914 bis 1918 fiel. Bei nicht weniger als 25 000 Patenten wurde die Laufzeit auf diese Weise verlängert. 1923 wurde die maximale Laufzeit eines Patents dann allgemein von 15 auf 18 Jahre erhöht.
Modernste Technik im Büroalltag
Festgesellschaft bei der Jubiläumsfeier im Kaisersaal des Weinhauses Rheingold am Potsdamer Platz
Stolz war das Amt auf die Einführung der damals als überaus modern geltenden Schreibmittel, mit denen es gegenüber dem - wie es in der Festschrift von 1927 heißt - "gewaltigen Anwachsen der Arbeit [...] durch Vereinfachung des Geschäftsbetriebes einen gewissen Ausgleich zu schaffen" bestrebt war. Die (Schreib-)Kanzlei wurde mit neueren Hilfsmitteln ausgerüstet: Schreib-, Diktier-, Kopier- und Vervielfältigungsmaschinen erleichterten fortan die Erledigung der Arbeiten. Modern ausgestattet war auch die Lichtbildstelle mit ihren "photographischen und Lichtpausapparaten". Ende 1926 waren auf diese Weise trotz des Arbeitszuwachses weniger Kanzleikräfte beschäftigt als 1901.
Das Jahr 1927: 50 Jahre Patentamt!
Programm der Festveranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum am 1. Juli 1927
Zum 50-jährigen Jubiläum des Patentamts fand am 1. Juli 1927 eine Festveranstaltung unter Leitung des damaligen Präsidenten von Specht statt. Zahlreiche Reichs- und Staatsbehörden, Vertreter technischer und wissenschaftlicher Vereine, der Patent- und Rechtsanwaltschaft sowie die Präsidenten der Patentämter befreundeter Staaten waren zum Festakt gekommen.
Mehr als 500 Gäste feierten am Abend des 1. Juli das Jubiläum zusammen mit Reichskanzler Wilhelm Marx und einer Reihe von Ministern und ausgewählten Vertretern aus Technik und Wissenschaft. Die Tagespresse schrieb damals, dass auch die nicht vertretenen Staaten regen Anteil nahmen und Telegramme geschickt hatten. Die Glückwünsche kamen vor allem aus Frankreich, England, Italien, Russland, Japan und Amerika. Auch Reichspräsident Paul von Hindenburg ließ seine Glückwünsche übermitteln. Besonders stolz war man aber auf die Gratulation des damals 80-jährigen Erfinders Thomas A. Edison.
Urkunde der technisch-wissenschaftlichen Vereine
Ein schönes Geschenk erhielt das Patentamt in Form einer Urkunde der technisch-wissenschaftlichen Vereine Deutschlands. Sie ist heute im historischen Prüferzimmer im Informations- und Dienstleistungszentrum Berlin (DPMA-IDZ) ausgestellt:
Folgender Wortlaut ist auf der Urkunde zu lesen:
"Dem Reichspatentamt, an dessen Gründung die Deutschen Ingenieure und Chemiker hervorragenden Anteil nahmen / Das durch seine wissenschaftlichen und gerechten Entscheidungen zur Förderung der Technik und zum Schutze der Geistesarbeit in hohem Maße beigetragen hat / Bringen die im deutschen Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine zusammengeschlossenen wissenschaftlichen technischen Organisationen Deutschlands zu seinem 50-jährigen Bestehen ihre Glückwunsche dar."
Bahnbrechende Erfindungen
In unserer Postergalerie stellen wir Erfindungen vor, die unser Alltagsleben entscheidend beeinflussen oder beeinflusst haben. Aus den Jahren 1921 bis 1930 finden Sie dort zum Beispiel die Vorrichtung zum Abbilden von Gestirnen auf eine kugelförmige Projektionswand von der Firma Carl Zeiss, den Freischwinger von Mies van der Rohe oder den Taschenschirm "Knirps".
Bilder: DPMA (soweit nicht anders angegeben)
Stand: 18.06.2024
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