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Die Jahre 1971 bis 1985: Jahre der Harmonisierung und des Fortschritts

Es geht Richtung Zukunft

Die 1970er Jahre waren wegweisend für das europäische und weltweite System des geistigen Eigentums. Gleich eine Fülle an rechtlichen Neuerungen leitete den Wandel von einer territorialen Begrenzung der nationalen Schutzrechte hin zu einem europäischen und internationalen System, wie wir es heute kennen. Innerhalb weniger Jahre kam es zum

  • Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (engl. "Patent Cooperation Treaty" - PCT) von 1970,
  • Straßburger Abkommen über die internationale Patentklassifikation (engl. "International Patent Classification" - IPC) von 1971,
  • Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) von 1973,
  • Übereinkommen über das europäische Patent für den Gemeinsamen Markt von 1975 (das dann allerdings nicht in Kraft trat) und in der Folge zum
  • Gemeinschaftspatentgesetz von 1979, das - neben der notwendigen Harmonisierung des nationalen Patentrechts - tiefgreifende Änderungen des nationalen Patentverfahrens einführte, die im Wesentlichen am 1. Januar 1981 wirksam wurden.

Am 1. Oktober 1974, zur Feierstunde anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Deutschen Patentamts in München, griff der damalige Bundesjustizminister Dr. Hans-Jochen Vogel denn auch in seiner Ansprache den sich vollziehenden Wandel auf: "Aus einer großen Tradition heraus, nach glanzvollen nationalen Leistungen schickt sich das Amt an, in eine europäische Zukunft einzutreten." Der Minister wünschte hierfür "Glück und Erfolg" sowie ein "Arbeitsergebnis, das der Gemeinschaft nützt". An seiner Fürsorge, so Vogel, wolle er es nicht fehlen lassen.

100 Jahre Patentamt: Besuch von Bundespräsident Walter Scheel (Mitte) zum Jubiläum 1977 in München


Gesetzliche Neuerungen gab es in diesen Jahren auch in anderen wichtigen Bereichen:

Zum 1. April 1979 wurde die Dienstleistungsmarke eingeführt - "lang erwartet und von der Wirtschaft besonders befürwortet", wie es im Jahresbericht 1979 des Deutschen Patentamts (DPA) heißt. Kein Wunder also, dass das Jahr zum veritablen "Jahr der Dienstleistungsmarke" wurde. Bereits am frühestmöglichen Anmeldetag (Montag, den 2. April 1979) gingen beim DPA 7.369 Anmeldungen von Dienstleistungsmarken ein!
Bis zum Jahresende waren es dann insgesamt 10.652 angemeldete Dienstleistungsmarken (und 19.042 Warenzeichen).

Schriftzeichen "Interconti" (oben) und "Rainbow Bass" (unten)
Quelle: Jahresbericht DPA 1983

Das Schriftzeichengesetz vom 6. Juli 1981 brachte Änderungen im Bereich des Geschmacksmusterrechts. Danach wurde Musterschutz nun auch für typographische Schriftzeichen - "neue und eigentümliche Schriftarten (Buchstaben und Alphabete, Satzzeichen, Ziffern, Symbole und wissenschaftliche Zeichen und Ornamente)" - nach den Bestimmungen des Geschmacksmustergesetzes vom 11. Januar 1876 gewährt. Trotz der kostspieligen und zeitraubenden Entwicklung von neuen Schriftarten war die Nachfrage nach ihrem Schutz zunächst verhalten. 1981 wurden gerade einmal zwei Anmeldungen von typographischen Schriftzeichen mit drei Mustern hinterlegt, ein Jahr später 10 Anmeldungen mit 64 Schriften. 1985 waren es dann 36 Anmeldungen mit 108 Schriften.

Umklassifikation in Berlin und Stabwechsel in München

Die Dienststelle Berlin des DPA leistete bei der Einführung der Internationalen Patentklassifikation (IPC) am 1. Januar 1975 einen wesentlichen Beitrag. Etwa 17 Millionen Patentdokumente mussten damals aufwändig umklassifiziert werden.

Berlin 1975: Blick über Landwehrkanal und Hochbahn zur Dienststelle des DPA

Hierfür wurden zusätzlich zu den 269 Beschäftigten der Berliner Dienststelle noch weitere 165 ABM-Kräfte vorübergehend eingestellt. Das Ergebnis war überaus positiv: dank der neu klassifizierten in- und ausländischen Patentschriften, die in der damals frisch umgebauten, modernen Auslegehalle auch der Öffentlichkeit zugänglich waren, wuchs die Bedeutung der Dienststelle für die Berliner Wirtschaft als wichtiges Informations- und Dienstleistungszentrum auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes.


Dr. Erich Häußer, Präsident des DPA von 1976 bis 1995

Der Jahreswechsel 1975/76 brachte für das DPA auch einen Wechsel in der Amtsleitung: Dr. Kurt Haertel trat nach 12 Jahren als Präsident des Patentamts in den Ruhestand ein. In dieser Schaffenszeit hatte Dr. Haertel das moderne Schutzrechtssystem entscheidend mitentwickelt. Durch seine engagierte und erfolgreiche Mitgestaltung aller maßgeblichen internationalen Vertragswerke des gewerblichen Rechtsschutzes und durch die von ihm vorbehaltlos geförderte europäische Integration des Patentwesens erwarb er sich besondere Anerkennung.

Auch posthum wurde er als "Vater des europäischen Patentrechts" weiter geehrt: etwa 2002 mit der Gründung des Kurt-Haertel-Instituts für geistiges Eigentum, einem Institut der rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen, 2003 mit der nach ihm benannten Kurt-Haertel-Passage in München und 2006 mit der Aufnahme in die damals neu gegründete "IP Hall of Fame" - zusammen mit Thomas Edison.

Nachfolger von Präsident Haertel wurde am Neujahrstag 1976 Dr. Erich Häußer. Der damals erst 46-jährige Jurist war zuvor bereits zehn Jahre als Richter am Bundespatentgericht und am Bundesgerichtshof in Karlsruhe tätig gewesen.

Es wird gekürzt und motiviert: die Personalsituation in Ost und West

Präsident Häußer, der den Jahresbericht des Amtes gekonnt auch als öffentlichkeitswirksames Instrument einsetzte, mahnte in dieser DPA-Publikation die immer dünner werdende Personaldecke seiner Behörde wiederholt an. So schrieb er etwa im Vorwort zum Jahresbericht 1978: "Diese massiven Personaleinsparungen führen zu einer erheblichen und kaum mehr auszugleichenden Belastung, die auf Dauer die Funktionsfähigkeit des Patentamts berühren könnte." Eindrücklich verwies Dr. Häußer auch im Vorwort zum Jahresbericht 1982 auf die Entwicklung allein im Prüferbereich in den Dienststellen München und Berlin: nach 651 Prüferstellen im Jahr 1977 wurden für das Jahr 1983 nur noch voraussichtlich 601 Planstellen angekündigt - "trotz unveränderter Arbeitslast".

Bis 1985 ging der Stellenabbau jedoch weiter voran, das Haushaltsjahr endete im DPA mit einem Soll von 2.247 (Plan-)Stellen.
pdf-Datei Personalstand im DPA von 1971 bis 1985 (jeweils am 31. Dezember)

Die massiven, vom Gesetzgeber verordneten Personaleinsparungen waren aber nicht die einzige Ursache für die angespannte Personalsituation im DPA. Die Errichtung von Bundespatentgericht 1961 und Europäischem Patentamt 1977 war nicht ohne Folgen geblieben. Im Verlauf des Jahres 1985 war es zwar gelungen wieder 37 "Nachwuchsprüfer aller technischen Fachrichtungen" einzustellen, doch dies brachte keine Entspannung für die Personalsituation. Ausführlicher als je zuvor erläuterte Dr. Häußer im Jahresbericht dieses Jahres die Malaise: "Durch die Neueinstellungen konnten nur knapp die Abgänge ausgeglichen werden, die auch während des Berichtsjahres dadurch entstanden sind, daß erfahrene Prüfer zum Bundespatentgericht und junge, gut ausgebildete Prüfer zum Europäischen Patentamt überwechselten. Das Europäische Patentamt wurde deshalb gebeten, Zurückhaltung bei der Übernahme von Prüfern zu üben und die jährliche Rate auf ein erträgliches Maß zu beschränken. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, daß die Ausbildung eines Prüfers einen Aufwand von etwa 200.000 DM erfordert, der aus Haushaltsmitteln des Deutschen Patentamts und damit den Gebühreneinnahmen nationaler Patentanmeldungen gedeckt werden muß."

Die Verdienstmöglichkeiten beim Europäischen Patentamt (EPA) waren für die vom DPA kommenden Fachkräfte besonders lukrativ. Im Januar 1980 berichtete DER SPIEGEL (Ausgabe 4/1980), Bundestagsabgeordnete des Haushaltsausschusses hätten "in München Absurdes entdeckt": laut SPIEGEL verdiente beispielsweise ein Prüfer im DPA (Regierungsdirektor, 45 Jahre, 2 Kinder) ein "ordentliches Salär" von 4.223,56 DM netto. Nach einem Wechsel "ins Nebengebäude", also zum EPA, bekam er hingegen monatlich über 2.000 DM netto mehr. Bis 1985 wechselten rund 200 Prüferinnen und Prüfer vom Deutschen an das Europäische Patentamt.

Im Patentamt der DDR, dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen (AfEP), wurde unter Leitung von Präsident Dr. Joachim Hemmerling der Personalsituation ebenfalls große Aufmerksamkeit zuteil: Die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte stimuliert werden. Hierzu erwarb das AfEP 1977 ein Bauerngehöft in Rambow, einem kleinen Ort im heutigen Landkreis Prignitz im äußersten Nordwesten Brandenburgs. Das Gehöft wurde zum Ferienheim umgebaut und diente ab Sommer 1978 zur kostengünstigen Urlaubsgestaltung der Amtsangehörigen des AfEP. 1985 führte das Amt dann auf Beschluss des Ministerrats der DDR eine leistungsabhängige Vergütung für die Beschäftigten in allen Bereichen des Amtes ein. Die individuellen, stets leistungsorientierten Gehaltszuschläge beliefen sich auf bis zu 400,- Mark (DDR).

Dienst am erfindenden Kunden: das DPA verstärkt seine Öffentlichkeitsarbeit

In einem Zeitungsinterview vom Oktober 1977 nannte Präsident Häußer auf die Frage, wie die Patentämter den Erfindern in Europa unter die Arme greifen könnten, zwei Dinge: ein schnelles Prüfungsverfahren nach Anmeldung eines Schutzrechts und eine verbesserte Information der Öffentlichkeit über das beim Patentamt gespeicherte technische Wissen. "Zwei Drittel aller eingereichten Anmeldungen", so Dr. Häußer in der ZEIT (Nummer 42/1977), "können nicht zum Patent führen, weil dieser 'Stand der Technik' nicht ausreichend berücksichtigt ist."

Titelseite des DPA-Jahresberichts 1978

Die Öffentlichkeitsarbeit des DPA wurde unter Präsident Häußer spürbar verstärkt. Beispielsweise Anfang des Jahres 1978, als am 24. Januar der 1970 in Washington unterzeichnete Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) in Kraft trat. Zur Information der interessierten Öffentlichkeit veranstaltete das DPA gemeinsam mit EPA, WIPO, BDI und Patentanwaltskammer hierzu ein "PCT-Seminar" in München, das mit mehr als 550 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine beachtliche Resonanz erfuhr.

Auch der Jahresbericht wurde als wichtiges Instrument für den Informationsaustausch im Dialog mit den Kunden des DPA in dieser Zeit ausgebaut: hatte die Publikation etwa 1978 noch aus "überschaubaren" 24 Seiten bestanden, so nahm der Umfang der folgenden Ausgaben kontinuierlich zu - und wuchs auf 78 Seiten im Jahr 1985. Die jüngste Ausgabe unseres Jahresberichts besteht übrigens aus 104 Seiten...


DPA-Informationsstand auf der HANNOVER MESSE 1978

Die "Bemühungen um eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit", wie es Präsident Häußer in seinem Vorwort zum Jahresbericht 1978 des DPA nannte, verliefen auch in der neu begonnenen Messearbeit des Amtes überaus erfolgreich. Mit einem Informationsstand war das DPA 1978 erstmals auf der HANNOVER MESSE und auf der internationalen Fachmesse iENA ("Ideen-Erfindungen-Neuheiten") in Nürnberg vertreten. Beide Messen sind bis heute "feste Termine" in unserem jährlichen Messekalender, der inzwischen auf über 20 führende Fachmessen aus allen Branchen, darunter viele Weltleitmessen, angewachsen ist.

Seit 2012 kommt übrigens auch unser Mobiles Team auf Messen zum Einsatz: es sensibilisiert und informiert Aussteller an deren Stand zum Thema gewerbliche Schutzrechte und zu unseren Dienstleistungen - denn die Aussteller haben in der Regel während des Messebetriebs zu wenig Zeit, den DPMA-Stand zu besuchen.

Werfen Sie doch einmal einen Blick in unseren diesjährigen Messekalender oder schauen Sie auf einer der nächsten Messen bei unserem Stand vorbei, zum Beispiel Anfang November auf der iENA 2017 in Halle 12!

Global vernetzt seit 1981

Heute ist das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) als weltweit fünftgrößtes nationales Patentamt ein wichtiger Kooperationspartner auf internationaler Ebene. Eine besonders lange und überaus fruchtbare Zusammenarbeit besteht bereits seit knapp 40 Jahren mit dem Staatlichen Amt für geistiges Eigentum der Volksrepublik China (SIPO): Diese langjährige strategische Partnerschaft hatte zum Aufbau des chinesischen Amtes und zur ständigen Fortentwicklung eines Systems des gewerblichen Rechtsschutzes in China beigetragen.

Delegation des DPA 1981 zu Gast in der Volksrepublik China

Während der Anfänge der Kooperation ab 1981 konzentrierten sich die Ämter vor allem auf die technische Zusammenarbeit und die Erarbeitung verbindlicher Standards sowie die Ausbildung der Prüferinnen und Prüfer im chinesischen Amt. Daraus haben sich in den vielen Jahren der Kooperation gegenseitiges Verständnis und ein enges, vertrauensvolles Zusammenwirken entwickelt. Inzwischen ist das SIPO das größte Patentamt der Welt. In jedem Jahr finden auf Arbeits- und Leitungsebene zahlreiche Begegnungen zwischen DPMA und SIPO zu Themen des gewerblichen Rechtsschutzes statt. Seit 2008 besteht zudem ein bilaterales Programm, bei dem Prüferinnen und Prüfer aus beiden Ländern zum Erfahrungsaustausch das jeweilige Partneramt besuchen. Zur Vorbereitung und als gute Voraussetzung für einen lebendigen Austausch bietet das DPMA Sprachkurse in Chinesisch an.

Bilder: DPMA (soweit nicht anders angegeben)

Stand: 18.06.2024