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Autonomes Fahren, Teil 2: Recht, Ethik und Datenschutz

Rechtlicher Rahmen

Weiße und blaue Würfel mit Paragrafen-Zeichen

Der Traum vom autonomen Fahren beschäftigt nicht nur viele Autohersteller, sondern ruft auch Rechtsexpertinnen und -experten auf den Plan, denn auch das Verkehrsrecht muss mit der Technik Schritt halten. Derzeit ist das autonome Fahren in Deutschland noch Zukunftsmusik: Abgesehen von einigen Testfahrzeugen und -strecken mit Sondergenehmigungen ist erst eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen nötig.
Die Rechtslage sieht vor, dass die fahrende Person allein für das Fahrzeug verantwortlich ist. Grundlage dafür ist ein völkerrechtlicher Vertrag, das sogenannte „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ von 1968, das den Straßenverkehr durch Standardisierung der Verkehrsregeln sicherer machen sollte.
Allerdings haben die Vereinten Nationen im Jahr 2014 bereits einen ersten Schritt unternommen und das Wiener Übereinkommen ergänzt: Es sind erstmals Fahrzeugsysteme erlaubt, die einen Einfluss auf das Führen eines Fahrzeugs haben. Damit sind technische Systeme zur Unterstützung der fahrenden Person, wie Fahrerassistenzsysteme oder automatisierte Fahrfunktionen, gemeint. Diese müssen entweder den einschlägigen technischen Regelungen der Vereinten Nationen entsprechen oder so gestaltet sein, dass der Fahrer beziehungsweise die Fahrerin sie jederzeit übersteuern oder abschalten kann. Diese Änderung ist für die Bundesrepublik Deutschland am 23. März 2016 in Kraft getreten.

Die neue Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

Der Bundestag hat am 30. März 2017 ein Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes erlassen, das Kraftfahrzeuge mit hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion erlaubt. Deutschland verfüge damit über „das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt“, so Verkehrsminister Alexander Dobrindt: „Wir stellen damit den menschlichen Fahrer und den Computer als Fahrer rechtlich gleich.“ Damit werde sich die Zukunft des Automobils nachhaltig verändern.

Automatisierte Fahrsysteme sollen künftig auch Menschen im hohen Alter individuelle Mobilität ermöglichen, so die Bundesregierung. Sie erhofft sich außerdem in Zukunft deutlich weniger Verkehrsunfälle. 90 Prozent der Unfälle würden heute auf menschliches Fehlverhalten zurückgeführt, so der Verkehrsminister. Automatisiertes Fahren verspreche darüber hinaus deutlich weniger Stau, weniger Parkplatzsuche und weniger Umweltbelastungen.

Das Gesetz sieht aber vor, dass der Fahrer auch bei der Nutzung von hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen stets der Fahrzeugführer bleibt und jederzeit die Steuerung übernehmen muss, wenn es erforderlich erscheint oder das System ihn dazu auffordert. Es regelt also noch nicht das voll autonome Fahren, bei dem es nur noch Passagiere gibt.
Ein wichtiger Punkt, der im Gesetz geregelt wird, ist die Haftungsfrage: „Wenn das Fahrzeug im automatisierten Modus gesteuert wird, dann ist klar, dass die Haftung beim Hersteller liegt und nicht beim Menschen, der im Fahrzeug sitzt“, so Dobrindt bei der Verabschiedung des Gesetzes. Um nach einem Unfall ermitteln zu können, wer das Auto gesteuert hat, werde künftig eine „Blackbox“ im Auto Daten aufzeichnen.

Ethische Fragen

Straßenverkehr bei Nacht

Das voll autonome Fahren wirft auch einige ethische Fragen auf, die geklärt werden müssen. Denn während in einer Ausnahmesituation der menschliche Fahrer instinktiv reagiert, entscheidet das autonome Fahrzeug anhand festgelegter Algorithmen und unter Berücksichtigung aller Faktoren. Die Hersteller versprechen sich von den Autopiloten deshalb eine drastisch verringerte Unfallquote gegenüber menschlichen Fahrern. Aber wie muss diese automatische Abwägung vorprogrammiert sein, um einer Extremsituation gerecht zu werden, in der beispielsweise zwischen zwei unausweichlichen Unfällen mit Personenschäden abgewogen werden müsste? Bereits bei der Entwicklung des Autos müsste festgelegt werden, wie sich das Fahrzeug in einem solchen Fall „entscheidet“ – und das bringt ethisch und technisch komplexe Fragen mit sich.
Die Bundesregierung hat daher eine Ethik-Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio eingesetzt, um die ethischen Fragen zu den Grundsätzen automatisierten Fahrens zu erörtern. Sie legte Ende Juni ihren Bericht vor. Darin werden die ethischen Fragen allerdings nicht abschließend beantwortet:

Unfallfolgenabschätzung ist nicht normierbar

„Echte dilemmatische Entscheidungen, wie die Entscheidung Leben gegen Leben sind von der konkreten tatsächlichen Situation unter Einschluss „unberechenbarer“ Verhaltensweisen Betroffener abhängig. Sie sind deshalb nicht eindeutig normierbar und auch nicht ethisch zweifelsfrei programmierbar. Technische Systeme müssen auf Unfallvermeidung ausgelegt werden, sind aber auf eine komplexe oder intuitive Unfallfolgenabschätzung nicht so normierbar, dass sie die Entscheidung eines sittlich urteilsfähigen, verantwortlichen Fahrzeugführers ersetzen oder vorwegnehmen könnten.“

Die Kommission regt daher die Schaffung einer unabhängige öffentliche Einrichtung („einer Bundesstelle für Unfalluntersuchung automatisierter Verkehrssysteme oder eines Bundesamtes für Sicherheit im automatisierten und vernetzten Verkehr“) an, die solche Erfahrungen systematisch verarbeitet. Außerdem fordert sie, die Technik müsse nach ihrem jeweiligen Stand so ausgelegt sein, dass kritische Situationen gar nicht erst entstünden.

Eindeutig wird die Kommission im Hinblick auf die Frage der Abwägung des „kleineren Übels“: „Bei unausweichlichen Unfallsituationen ist jede Qualifizierung nach persönlichen Merkmalen (Alter, Geschlecht, körperliche oder geistige Konstitution) strikt untersagt. Eine Aufrechnung von Opfern ist untersagt. Eine allgemeine Programmierung auf eine Minderung der Zahl von Personenschäden kann vertretbar sein. Die an der Erzeugung von Mobilitätsrisiken Beteiligten dürfen Unbeteiligte nicht opfern.“

Die Bedeutung des Datenschutzes

Chip

Eine gesetzliche Pflicht zur Nutzung vollautomatisierter Verkehrssysteme hält die Kommission für ethisch bedenklich, „wenn damit die Unterwerfung unter technische Imperative verbunden ist (Verbot der Degradierung des Subjekts zum bloßen Netzwerkelement).“

Der Schutz der Daten liegt der Kommission am Herzen: „Eine vollständige Vernetzung und zentrale Steuerung sämtlicher Fahrzeuge im Kontext einer digitalen Verkehrsinfrastruktur ist ethisch bedenklich, wenn und soweit sie Risiken einer totalen Überwachung der Verkehrsteilnehmer und der Manipulation der Fahrzeugsteuerung nicht sicher auszuschließen vermag.“

Sie betont die Autonomie und Datenhoheit der Verkehrsteilnehmer: „Fahrzeughalter oder Fahrzeugnutzer entscheiden grundsätzlich über Weitergabe und Verwendung ihrer anfallenden Fahrzeugdaten.“ Es müsse frühzeitig sichergestellt werden, dass die Datenpreisgabe stets freiwillig bleibe und nicht etwa – wie beim Datenzugriff durch die Betreiber von Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken – durch die „normative Kraft des Faktischen“ praktisch erzwungen werde.

Zusammenfassung: Die Mobilität der Zukunft

Trotz nicht abschließend geklärter rechtlicher Fragen und verbesserungsfähiger Akzeptanz: Das autonome Fahren ist ganz sicher die Mobilität der Zukunft. Es bietet viele Vorteile: Mehr Komfort, weniger Stress, geringeren Verbrauch und damit weniger Umweltbelastung, optimierten Verkehrsfluss, altersunabhängige Mobilität und vor allem mehr Verkehrssicherheit. Ermöglicht wird diese Mobilität der Zukunft vor allem durch entsprechende Innovationen aus Deutschland: Heimische Autobauer und Zulieferer liegen sowohl bei den Anmeldungen der letzten Jahre als auch beim Patentportfolio im internationalen Vergleich ganz vorne .

Bilder: iStock.com/crailsheimstudio, iStock.com(cofotoisme, iStock.com/silkwayrain

Stand: 05.07.2023