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Tagung zu KI und Schutzrechten: Wie lässt sich Zukunftstechnik schützen?
„Künstliche Intelligenz – Auswirkungen und Herausforderungen im Patentwesen“: Tagung im DPMA
Experten aus verschiedenen Branchen sprachen im DPMA über künstliche Intelligenz (KI) und ihren Schutz. Zwei Fragen zogen sich wie ein roter Faden durch die Tagung mit rund 130 Teilnehmern: Wie kann KI geschützt werden? Und: Wenn KI selbst Erfindungen generiert, lassen diese sich dann überhaupt schützen?
Die Fachtagung, die von der Bayern Innovativ GmbH organisiert wurde, fand am 7. November 2018 im DPMA-Forum statt. Über die Hälfte der Teilnehmer kam aus der Industrie - verschiedenste Branchen wie Automobil und Zulieferer, Energie, Material, Medizintechnik sowie Elektronik und IT waren vertreten.
KI ist mehr als ein bloßer Technik-Trend: „Es geht hier nicht nur schlicht um eine technische Weiterentwicklung bestehender Systeme, sondern um eine Schlüsseltechnologie, die einen umfassenden Transformationsprozess bewirkt“, sagte DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer in ihrer Begrüßung der Teilnehmer.
Die Zukunftsdynamik werde zu gesellschaftlichen Änderungen führen und neue rechtliche, gesellschaftliche und ethische Fragen für unseren Alltag aufwerfen: „Viele fragen sich schon heute: Wird mein Arbeitsplatz in der Zukunft sicher sein? Oder wird er durch eine auf Algorithmen beruhende, selbstlernende Maschine ersetzt?“
Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer über den Einsatz von KI im DPMA:
„Die Anwendung von künstlicher, also maschineller Intelligenz in ihrer derzeitigen Ausprägung - nämlich der Kombination von wissensbasierten Datensystemen mit lernenden Systemen - wird uns dabei helfen, die Rechercheprozesse der Prüferinnen und Prüfer weiter zu verbessern und zu optimieren.
Pilotprojekte im Rahmen unseres Vorhabens „Neue Recherche“ laufen hierzu gerade im DPMA. Wir wollen die Aktenrecherche und die Patentrecherche deutlich weiterentwickeln, hin zu einem verlässlichen Assistenzdienst für die Patentprüfung.
Denn nur so können wir der schieren Flut von weltweit 3 Millionen Patentanmeldungen im Jahr und noch einmal so vielen wissenschaftlichen Publikationen allein auf Englisch - dem so genannten Stand der Technik - in der Recherche und Prüfung überhaupt Herr werden.“
Stellt KI das ganze Patentwesen in Frage – oder ist es nur eine weitere neue Technik? Mit dieser Frage begann der Reigen der spannenden Referate. Zum Auftakt ging Dr. Sven Hetmank vom Institut für Geistiges Eigentum der TU Dresden einer der Hauptfragen der Tagung nach: Sind KI-generierte Erfindungen patentierbar?
Das Patentgesetz verlangt keinen menschlichen Beitrag, stellte Hetmank fest (anders als etwa das Urheberrecht). Wie die Erfindung zustande kam, ist rechtlich egal; es zählt nur das objektive Ergebnis, nicht der Weg dorthin.
Wenn KI-generierte Erfindungen patentierbar wären, bestünde die Gefahr, dass sich der Wettbewerb zu stark konzentriere, so Hetmank: Große, reiche Unternehmen könnten den Markt mit Patenten förmlich zupflastern. Es fände kein Wissenstransfer mehr statt.
Andererseits könnten Patente auf KI-Ergebnisse wichtige Anreize darstellen, weiter in KI zu investieren; deren Publikation würde den Stand der Technik erweitern. Wenn ein Unternehmen seine KI-generierten Erfindungen aber durch Geheimhaltung schützt, bleibt die Technik für alle anderen auf dem alten Stand.
Selbstanmeldende KI?
Derzeit können nur natürliche Personen als Erfinder eingetragen werden. Eine KI, die ihre eigenen Erfindungen auch noch selbst zum Patent anmeldet, ist derzeit wohl noch in sehr weiter Ferne. Es braucht weiterhin einen Nutzer, der die KI als Werkzeug einsetzt, die Ergebnisse als Erfindung erkennt, ihre gewerbliche Nutzbarkeit feststellt und ihren Schutz beantragt.
Die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit werden sich wohl weiter erhöhen, so Hetmank. Einerseits werde es immer schwieriger, den Stand der Technik zu überblicken und zu bestimmen – andererseits könne genau dabei aber die KI behilflich sein.
Dass KI eine wichtige Recherchehilfe werde, betonte auch Thomas L. Lederer in seinem Vortrag. Der Patentwalt von Boehmert & Boehmert gab darin „Praktische Hinweise zur Patentierung von Erfindungen aus dem Bereich KI“. Die Richtlinien seien jenen für computerimplementierte Erfindungen (Englisch: computer-implemented innovations, kurz CII) sehr vergleichbar, so Lederer.
Er unterschied drei Anwendungen für KI: Die Basis-Anwendungen seien eher nicht patentierbar, sehr wohl aber jene aus den Bereichen „Training/Lernen“ und „Einsatz als Werkzeug“. Zur Patentfähigkeit sei eine „zweite technische Hürde“ zu nehmen, etwa in Form des Nachweises eines technischen Effekts bzw. beim Trainieren eines neuronalen Netzes. Lederer stellte anhand aktueller Beispiele die derzeitige Praxis vor.
Gefährlicher als Atomwaffen?
„AI is more dangerous than nukes“ – gefährlicher als Nuklearwaffen ist die künstliche Intelligenz laut Elon Musk. Reinhard Karger, Sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken, zeigte in seinem Referat „Moralische Perspektiven und Leitplanken“ für KI auf, warnte aber zugleich vor übertriebenen Befürchtungen à la Musk. KI sei „die Digitalisierung menschlicher Wissensfähigkeiten“, definierte er – und ein Milliarden-Markt, nicht zuletzt im Hinblick auf das Einsatzpotential im Bereich Social Media.
Er nannte einige interessante Einsatz-Beispiele von KI, etwa in Form von Hai-Erkennungs-Drohnen an australischen Stränden. Karger ließ bei diesem Beispiel nicht unerwähnt, dass derartige Drohnen sich auch als perfekte Überwachungswerkzeuge eignen würden - woran einmal mehr deutlich wird, dass KI unsere Zukunft tatsächlich ziemlich verdüstern könnte.
Als weitere KI-Beispiele nannte Karger Sprachanalyse-Programme zur Demenz-Früherkennung oder ein System, das selbständig arbeitende Maschinen optisch überwacht und diese automatisch verlangsamt, wenn sich ein Mensch nähert, um das Unfallrisiko zu senken.
„Roboter will be able to do everything better than us” – noch ein Musk-Zitat, dem Karger energisch widersprach: „Wir können mehr!”
Wir möchten anfügen: Noch…
DPMA-Prüfer berichtet aus der Praxis
Aus der Prüferpraxis berichtete Uwe Herrmann vom DPMA. In seinem Referat „Internet of Things - computerimplementierte Erfindungen“ erklärte er anhand von Gesetz und Gerichtsurteilen den aktuellen Stand der Handhabung der Patentierbarkeit von KI.
Herrmann erläuterte den „Drei-Stufen-Ansatz“, den das DPMA bei der Prüfung der Patentierbarkeit verfolge: Liegt der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet? Enthält der Patentanspruch in Teilaspekten Anweisungen, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen? Und: Gilt der beanspruchte Gegenstand als neu und erfinderisch gegenüber dem Stand der Technik?
Damit eine CII patentierbar werde, müsse laut BGH-Rechtsprechung „die beanspruchte Lehre Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.“ Dafür genüge es jedoch, dass ein Teilaspekt der geschützten Lehre ein technisches Problem bewältigt. (BGH-Urteil vom 26.10.2010)
Herrmann kam auch auf die Blockchain-Technologie zu sprechen, die als eine wichtige Komponente im „Internet of things“ (IoT) sowie bei der Realisierung von intelligenten autonomen Fabriken angesehen werde. Eine Blockchain ist eine Datenbank aus einer wachsenden Liste von Blöcken, die unter Nutzung von Kryptografie miteinander verlinkt sind. Die Verwendung der Blockchain-Technologie garantiere noch keine Patenterteilung, so Herrmann. Jedoch könne ein geschickter Einsatz einer Blockchain-Technologie im IoT, der dazu beiträgt, ein technisches Problem zu lösen, zur Patentierung führen.
Als zweiter Patentprüfer kam Miguel Domingo Veccioni zu Wort, Team Manager beim Europäischen Patentamt. Der Anteil der computerimplementierten Erfindungen sei dort zwischen 1998 und 2014 rasant angestiegen, so Veccioni; vor allem im Bereich Automotive (von 36 auf 63 Prozent) und Medizintechnik (von 31 auf 49 Prozent). Er gab ebenfalls Einblicke in die Praxis und nannte aufschlussreiche Beispiele.
Das Europäische Patentamt hat erst vor wenigen Tagen seine neuen Guidelines veröffentlicht, die auch für das Thema der Tagung relevant sind.
Dr. Hendrik Brakemeier von der UnternehmerTUM GmbH in Garching will den Einsatz von KI vorantreiben: Er stellte in seinem Referat die „apllied IA – Initiative for applied artifical intelligence“ vor.
Maschinelles Lernen bedeute, die Logik hinter Datensätzen zu suchen und zu erkennen. Dieses „deep learning“ der künstlichen neuronalen Netze sei letztlich nichts anderes als eine komplexe mathematische Funktion. Der Wert der Daten steige aber nun enorm, denn daraus ziehe die KI ihre Logik: „Die Lerndaten sind entscheidend für den Nutzen der KI“. Die damit beschäftigten Wissenschaftler verbringen 60 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, die Daten für den Lerneinsatz zu organisieren und aufzubereiten, so Brakemeier.
Spitzenforscher tauschen sich untereinander aus
Brakemeier betonte die Bedeutsamkeit der „Offenheits-Kultur“ in der weltweiten Forschungs-Community. KI-Spitzenforscher legten größten Wert darauf, ihre Ergebnisse kommunizieren zu dürfen (etwa bei Google AI), um den wissenschaftlichen Austausch voranzutreiben und davon wiederum selbst zu profitieren. Den Unternehmen bliebe heute gar nichts anderes übrig, als diese Transparenz mitzutragen, so Brakemeier, weil die heiß begehrten Spitzenkräfte sonst einfach zur Konkurrenz wechseln würden. Selbst das bisher äußerst diskrete Apple veröffentliche daher mittlerweile Teile seiner Forschungen zu KI.
Beim Aufbau der Netzarchitektur für „deep learning“ sind Forscher gut beraten, auf vorhandene Open-source-Modelle zurückzugreifen; man müsse das Rad nicht neu erfinden, so Brakemeier. Der Algorithmus für das maschinelle Lernen muss dann aber maßgeschneidert implementiert werden und mittels „hyperparameter tuning“ für den Datensatz optimiert werden. Ein fertig trainiertes neuronales Netz könne ohne seine Trainingsdaten nicht nachprogrammiert werden. Entsprechend seien gegebenenfalls Patentanspruch und Trainingsdaten eng miteinander verknüpft, so Brakemeier. Bleibe nur die Frage: Wenn der Algorithmus die Logik hinter den Daten extrahiert - wer ist dann eigentlich der Erfinder?
Beispiele aus der Praxis: Medizinische Bildgebung
Jaroslav Blaha, CEO der CellmatiQ GmbH, stellte deren medizinische Bildgebungsverfahren vor. Damit ist „viel Geld zu holen“ (so Blaha), aber sie sind vor allem unter Aspekten der Technik und des Gesundheitswesens hoch interessant. Die vom Unternehmen entwickelten Programme sollen in der Lage sein, komplexe Bildanalysen weit über die menschlichen Fähigkeiten hinaus zu ermöglichen. Sie könnten beispielweise Röntgenbilder analysieren und so den Arzt bei der Befundung unterstützen. „Unsere KI kann automatisch strukturelle Muster entdecken und klassifizieren – viel schneller, genauer und objektiver als der Mensch“, so Blaha.
Das funktioniere bereits im Bereich der Kieferorthopädie („Kephalometrische Analyse“) und Karies-Erkennung, aber auch bei der Glaukom-Diagnose oder der Altersbestimmung von Probanden.
Blaha spricht bei der Technologie seines Unternehmens von einem „convolutional neural network“ mit rund 100 Millionen künstlicher Neuronen (das entspricht etwa 10 Prozent des menschlichen Gehirns). Wichtigste Voraussetzung für die Funktion dieser KI sind wiederum umfangreiche diagnostische Daten. Wenn das Unternehmen seinen Datenschatz weiter ausbauen kann, wird man bestimmt noch einiges von ihm hören…
Mit faszinierenden Beispielen von der „vordersten Front“ der KI-Forschung schloss Blaha seinen Vortrag – etwa, wie es Wissenschaftlern von der Radbound Universität Nijmwegen gelingt, die neuronale Bilddarstellung im Gehirn „anzuzapfen“ und extern sichtbar zu machen.
"Alles muss erklärbar bleiben!“
Über eine der bekanntesten und am meisten diskutierten Anwendungen von KI, nämlich das autonome Fahren, sprach Matthias Schneider von Audi. Dieses Thema wirft nicht nur viele technische, sondern auch rechtliche und ethische Fragen auf (das DPMA widmet diesem Thema hier bereits ein Dossier).
Drohender Kontrollverlust angesichts einer sich kontinuierlich selbst verbessernden künstlichen Intelligenz macht ihm Kopfzerbrechen: KI könne Ingenieursleistungen verbessern, so Schneider, aber es dürfe keine „black box“ entstehen: KI-generierte Programme müssten vom Menschen nachvollziehbar sein, „alles muss erklärbar bleiben!“.
Die bestehenden Möglichkeiten zum Schutz von KI sieht er als „ausbaufähig“ an. Eine Patentierung von KI-generierten Erfindungen erfordere aber eine sorgfältige Abwägung der möglichen Folgen. Selbstgenerierende KI-Patente bergen die Gefahr der Monopolisierung und wären somit widersinnig, so Schneider. Als Beispiel nennt er Googles „De-facto-Monopol“.
Dass es zum perfekten vollautonomen Fahren noch ein weiter Weg ist, brachte Schneider mit folgendem, sicherlich diskussionswürdigen Spruch zum Ausdruck: „Es ist leichter, einen Patentprüfer durch ein Programm zu ersetzen, als ein Auto durch KI steuern zu lassen.“
Zum Abschluss stellte Dr. Mike Shellabear die Anwendungen von KI im Bereich Additive Fertigung in seinem Unternehmen, der EOS GmbH, vor. Das Unternehmen hat sich auf vollautomatische Produktionsabläufe mit hochleistungsfähigen 3D-Druckern spezialisiert. Diese versprechen eine „massive Kostensenkung“ in der Fertigung, weil sie dank KI-unterstützter Technik viel schneller vorangeht und sich die Zahl der Komponenten für komplexe Bauteile auf eine einzige reduziere.
Viele Fragen weiter offen
Gerade bei den Referaten aus der unternehmerischen Praxis wurde deutlich, dass die Anwendungen von KI teilweise bereits weit fortgeschritten sind, deren Schutz durch Patente sich aber teilweise noch im Anfangsstadium befindet. Zur Klärung der aufgeworfenen Fragen sind eine weitere intensive Diskussion und die Auslegung der aktuellen Rechtslage durch weitere Urteile der Rechtsprechung notwendig.
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Stand: 17.09.2024
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