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Nobelpreise 2022

Zeichung von Carolyn Bertozzi, Morten Meldal und Barry Sharpless

Carolyn Bertozzi, Morten Meldal und Barry Sharpless. Zeichnungen: Niklas Elmehed

Die Patente hinter den Preisen

In diesen Tagen werden in Stockholm wieder die Nobelpreise überreicht. Nach zuletzt mehreren Auszeichnungen darf sich in diesem Jahr kein Deutscher über einen Preis freuen, dafür aber ein in Leipzig arbeitender Schwede. Einem Amerikaner gelingt das Kunststück, bereits zum zweiten Mal einen Nobelpreis zu gewinnen – das ist bisher nur drei anderen Wissenschaftlern sowie der legendären Marie Curie gelungen. Lediglich zwei Frauen werden 2022 ausgezeichnet. Das Komitee in Stockholm tut also wieder einmal wenig für seine Frauenquote: von den bisher insgesamt fast 1000 Nobelpreisträgern waren nur 61 weiblich.

Der Österreicher Anton Zeilinger gehört zu den drei Wissenschaftlern, die sich in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik teilen. Neben Zeilinger, der an der Universität Wien lehrt, erhalten John F. Clauser aus Kalifornien und der Franzose Alain Aspect den Preis "für Experimente mit verschränkten Photonen, die die Verletzung der Bell-Ungleichungen nachwiesen und den Weg für die Quanteninformationswissenschaft ebneten", so die Begründung der Akademie. Alle drei haben „jeweils bahnbrechende Experimente mit verschränkten Quantenzuständen durchgeführt, bei denen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind“, heißt es aus Stockholm. Die drei Forscher schufen somit die Grundlage für die Entwicklung von Quantencomputern und -netzwerken und die sichere Verschlüsselung von Kommunikation.

„Neue Art von Quantentechnologie im Entstehen“

Zeichnung Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger

Alain Aspect, John F. Clauser und Anton Zeilinger

All drei Wissenschaftler sind (Mit-)Autoren von zahlreichen Patenten: Anton Zeilinger erhielt bereits 1980 ein Patent für ein „Verfahren zum Nachweis von Einschlüssen einer kristallographisch verschiedenen Phase in einer Probe durch Durchstrahlung mit Neutronen“ ( pdf-Datei AT354776B), zuletzt war er an pdf-Datei WO002021013990A1 (1,12 MB) beteiligt.

John Clauser meldete u.a. „Rotation, acceleration, an gravity sensors using quantum mechanical matter-wave interferometry with neutral atoms and molecules“ ( pdf-Datei US4992656A (2,93 MB)) an. Zuletzt erhielt er das Patent für „Ultrahigh resolution interferometric x-ray imaging“ ( pdf-Datei US5812629A (7,1 MB)). Zu Alain Aspects Patenten gehört „Elektromagnetische Vorrichtung zur Erzeugung von kalten Atomen“ ( pdf-Datei DE60113171T2).

"Es wird immer deutlicher, dass eine neue Art von Quantentechnologie im Entstehen begriffen ist. Wir können sehen, dass die Arbeit der Preisträger mit verschränkten Zuständen von großer Bedeutung ist, auch über die grundlegenden Fragen zur Interpretation der Quantenmechanik hinaus", so Anders Irbäck vom Nobelkomitee.

Eine neue wissenschaftliche Disziplin

Svante Pääbo hat quasi im Alleingang eine neue wissenschaftliche Disziplin geschaffen: die Paläogenetik. Der Schwede erhält den Nobelpreis für Medizin „für seine Entdeckungen über die Genome ausgestorbener Hominiden und die menschliche Evolution“. Der Wahl-Leipziger entschlüsselte die DNA der Neanderthaler. Das Nobelkommittee preist seine „bahnbrechende Forschungen“: „Durch die Aufdeckung genetischer Unterschiede, die alle lebenden Menschen von ausgestorbenen Hominiden unterscheiden“, so Stockholm, „bilden seine Entdeckungen die Grundlage für die Erforschung dessen, was uns Menschen so einzigartig macht.“

Pääbo wurde bereits als Doktorand weltberühmt, als ihm 1984 der Nachweis gelang, dass DNA in altägyptischen Mumien überdauern kann. Schon sein Vater Sune Bergström hatte 1982 den Nobelpreis für Medizin erhalten. Pääbo, der zuvor eine Professur in München innehatte, ist seit 1997 Direktor am Institut für evolutionäre Anthropologie der Max-Planck-Gesellschaft in Leipzig, die sich somit ihres insgesamt 30. Nobelpreisträgers rühmen kann (wenn man ihre Vorgängerinstitution Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft mit einberechnet).

Seine Verfahren zur Forschung an der DNA ließ Pääbo sich wiederholt patentieren, etwa als „Verfahren zur direkten, exponentiellen Amplifikation und Sequenzierung von DNA-Molekülen und seine Anwendung“ ( pdf-Datei E69713866T2 (1,58 MB)) oder als „Method for the direct, exponential amplification and sequencing of DNA molecules and its application“ ( pdf-Datei US020040197811A1).

Zweifacher Preisträger Sharpless

Zeichnung aus DE60113171T2 von Alain Aspect

Zeichnung aus DE60113171T2 von Alain Aspect

Barry Sharpless gehört jetzt zum vielleicht exklusivsten „Club“ der Welt: dem der zweifachen Nobelpreisträger. Nur Marie Curie, Linus Pauling, John Bardeen und Frederick Sanger gelang dieses Kunststück bisher. Sharpless hatte bereits 2001 den Preis für Chemie zugesprochen bekommen. 2022 wird der kalifornische Wissenschaftler erneut damit ausgezeichnet.

Er teilt sich den Preis mit Carolyn Bertozzi von der Stanford University und Morten Meldal von der Universität von Kopenhagen. „Sharpless und Meldal haben den Grundstein für eine funktionelle Form der Chemie - die Klick-Chemie - gelegt, bei der sich molekulare Bausteine schnell und effizient zusammenfügen lassen“, so die Akademie. „Bertozzi hat die Klick-Chemie in eine neue Dimension geführt und begonnen, sie in lebenden Organismen anzuwenden.“ Die Click-Chemie werde unter anderem bei der Entwicklung von Medikamenten und der Erstellung von Erbgut-Karten genutzt.

Alle drei Preisträger sind an hunderten von Patenten beteiligt: Carolyn Bertozzi beispielsweise an „Aldehyde tags, use therof in site-specific protein modification“ ( pdf-Datei US8097701B2 (5,55 MB)), Barry Sharpless zuletzt an „Sulfur (VI) fluorides compounds and methods for the preparation thereof“ ( pdf-Datei US020220313624A1 (6,39 MB)). Morten Meldals Arbeit schlug sich u.a. in „Tunable probes for selective protein labelling and enzyme inhibition“ ( pdf-Datei WO2018/234483Al (5,58 MB)) nieder.

Menschenrechtsorganisationen gewürdigt

Zeichnung aus US4992656A von John Clauser

Zeichnung aus US4992656A von John Clauser

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an den Menschenrechtler Ales Bialiatski aus Weißrussland, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und den ukrainischen Center for Civil Liberties.

Bialiatski ist seit über einem Jahr in Haft. Die Menschenrechtsaktivistin Irina Scherbakowa ist Mitbegründerin von Memorial und hat eine Gastprofessur an der Universität Jena inne. Memorial ist die älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland. Nach Bekanntgabe des Preises hat ein russisches Gericht die de-facto-Schließung des Moskauer Memorial-Büros angeordnet. Der Center for Civil Liberties macht auf Menschenrechtsverstöße aufmerksam und engagiert sich derzeit besonders für die Freilassung ukrainischer Kriegsgefangener.

Wurzeln und Zwänge

Annie Ernaux

Annie Ernaux

Der Literaturnobelpreis 2022 geht an die französische Autorin Annie Ernaux "für den Mut und die klinische Schärfe, mit der sie die Wurzeln, Entfremdungen und kollektiven Zwänge der persönlichen Erinnerung aufdeckt".

In ihrem Werk untersucht Ernaux konsequent und aus verschiedenen Blickwinkeln ein Leben, das von starken Ungleichheiten in Bezug auf Geschlecht, Sprache und Klasse geprägt ist, so die Akademie.

Preis für Finanzkrisenmanager

Zeichnung Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig

Ben Bernanke, Douglas Diamond und Philip Dybvig

Die diesjährigen Preisträger der Wirtschaftswissenschaften sind Ben Bernanke, der frühere Präsident der US-Notenbank Fed, Douglas Diamond und Philip Dybvig. „Sie haben unser Verständnis der Rolle der Banken in der Wirtschaft, insbesondere während Finanzkrisen, erheblich verbessert. Eine wichtige Erkenntnis aus ihren Forschungen ist, warum die Vermeidung von Bankenzusammenbrüchen so wichtig ist“, heißt es in der Begründung.

Bilder: Niklas Elmehed - Nobel Prize Outreach, DPMAregister

Stand: 09.04.2024