Inhalt
Tag des Bollerwagens
CH164403
Lieblingssport Biertransport
Der Tag des Bollerwagens naht. Nein, es handelt sich dabei nicht um einen der vielen mehr oder minder sinnvollen Welttage, die den Kalender füllen. Aber Christi Himmelfahrt ist Vatertag, und Vatertag ist Bollerwagentag. Landauf, landab werden wieder feierfreudige Männer Handwägen durch die Gegend zerren. Darin transportieren sie dann Bier und Schnaps, gerne auch einen Grill (und auf dem Rückweg betrunkene Väter, manchmal).
Jahrhundertelang war der Handwagen das wichtigste Transportmittel für alle, die sich keine Zugtiere leisten konnten. Alles fuhr man mit dem Bollerwagen: Getreide, Werkzeug, Baumaterial… Bei uns war der Handwagen zuletzt bei den Flüchtlings-Treks am Ende des Zweiten Weltkriegs und beim Wiederaufbau ein unersetzliches Transportmittel. Danach führte er im Schatten der Automobilisierung ein Nischendasein (außer natürlich am Vatertag oder bei „Kohl-und-Pinkel-Fahrten“ in Norddeutschland). Erst seit dank neuer Entwicklungen die Eltern im Lande den leichten, falt- oder klappbaren Bollerwagen als Spaßtransportmittel für ihren Nachwuchs (wieder-)entdeckt haben, erlebt das Gefährt eine kleine Renaissance.
Vom Arbeitsgerät zum Lifestyle-Produkt
Ein erster „zusammenschiebbarer“ Handwagen wurde bereits 1882 zum Patent angemeldet ( DE22730A). Mitten in den Trümmer-Jahren wurde ein Gebrauchsmuster für einen „Zusammenlegbaren Hand-Leiterwagen“ beim gerade wieder erstandenen Deutschen Patentamt angemeldet ( DE1614732U). Aber erst Entwicklungen wie „Faltbarer Bollerwagen mit Sicherheitsbremsfunktion“ (2018) verwandeln den Handwagen endgültig vom Arbeitsgerät zum Lifestyle-Produkt ( DE 102018117293A1).
Der Bollerwagen ist wahrscheinlich fast so alt wie das Rad, und das wurde etwa im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung erfunden. Seine ursprüngliche Form hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert kaum verändert: Der klassische Handwagen ist praktisch eine Miniaturausgabe des traditionellen Bauernwagens. Der wichtigste Unterschied in der Konstruktion ist die Deichsel, die beim Handwagen nur aus einer Stange mit einem Quergriff besteht. Mit ihr lässt sich der Wagen ziehen, schieben und lenken.
Über Stock und Stein bollern
Der Handwagen ist traditionell aus Holz, hat leiterförmige Seitenwände und keine Federung. Die Räder, die früher Scheiben waren, haben meist dicke hölzerne Speichen und metallüberzogene Laufflächen.
Wichtigstes Merkmal des Bollerwagens war stets seine Robustheit, die ihn auch die „bollerigsten“ Wege meistern ließ. Um ihn noch solider zu gestalten, wurde beispielsweise 1932 ein Leiterwagen mit Metallteilen zum Patent angemeldet ( CH164403A).
Heute kommen die meisten Bollerwägen und ihre Verwandten aus China. Deutsche Anbieter konzentrieren sich weitgehend auf Premium- oder Profi-Karren für den gewerblichen Einsatz.
Von der frommen Prozession zum Sauf-Ausflug
Woher kommt eigentlich der Bollerwagen-Brauch? Er ist vergleichsweise jung: Christi Himmelfahrt wird zwar seit dem 4. Jahrhundert als kirchlicher Feiertag begangen, aber als „Vatertag“ erst seit dem späten 19. Jahrhundert. Die Idee stammt aus den USA, wo man dem älteren Muttertag eine männliche Entsprechung geben wollte. Christi Himmelfahrt findet immer 39 Tage nach dem Ostersonntag statt, ist daher immer ein Donnerstag und in Deutschland erst seit 1934 ein gesetzlicher Feiertag.
Die Vatertags-Bräuche haben aber viel ältere Wurzeln. Ihre Ursprünge liegen wohl in den mittelalterlichen „Flurprozessionen“, bei denen die Gläubigen an Christi Himmelfahrt über die Felder zogen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich dann die Tradition des Herrenausflugs. Man(n) fuhr im Festtagsgewand mit Kutschen, die mit Flieder- oder Birkenzweigen geschmückt waren, von Gasthaus zu Gasthaus. Die Freizeit am Vatertag war insbesondere für die Arbeiter ein hart erkämpftes Gut und wurde entsprechend zelebriert.
Und was hat der Bollerwagen damit zu tun? Er war sozusagen die Kutsche des „kleinen Mannes“. Wer sich kein Pferdefuhrwerk leisten konnte, zog eben mit einem Handwagen durch die Gemeinde. Später transportierten die feierfreudigen Väter ihre Getränke auch alternativ mit Hand- oder Schubkarren, Fahrradanhängern oder Traktoren.
Neue Ideen für ein uraltes Gefährt
Kurios: Seit der Handwagen seine ursprünglichen Aufgaben in den „reichen“ Ländern weitgehend eingebüßt hat, haben Erfinder begonnen, an seiner Optimierung zu tüfteln. Der Bollerwagen hat sich daher in den letzten Jahrzehnten erstmals in seiner langen Geschichte teilweise deutlich verändert. Manche moderne Handwägen sind technisch schon vergleichsweise komplex.
Der große Wendekreis ist bei traditionellen Handwägen meist ein Problem. DE29919022U1 löst dies mit einem Achsvorlauf. „Klappbarer Bollerwagen“ ( DE10139357B4) ist eine schlichte, schwere Konstruktion, lässt sich aber so flach zusammenfalten, dass sie selbst neben dicken Windelkisten, Strandspielzeug und Badesachen in den Kofferraum jeder Familienkutsche passt.
Praktischer Packesel
Dagegen ist DE202008009410U1 ein echter Meilenstein des modernen Familien-Bollerwagens: leichtes Alugestell, Transportwanne aus Textil und mit wenigen Handgriffen faltbar. Quasi unabdingbar für jeden Familienurlaub am Strand! DE202022106844U1 (1,45 MB) lässt sich nicht nur falten, sondern auch leicht an einem Fahrrad befestigen und als Anhänger verwenden.
Speziell für die Vatertagstour geeignet sind dagegen DE202015006734U1 („Bollerwagen mit integrierter Biertischgarnitur“) oder DE202017000021U1 („Bollerwagen mit integriertem Stehtisch und Sonnenschirm“). DE202019003486U1 (4,01 MB) ist sogar ein echtes Multitalent und lässt sich u.a. in einen Tisch, eine Liege oder einen Grill verwandeln. Auch DE202022102086U1 (1,04 MB) besitzt eine integrierte faltbare Tischplatte - ideal für´s feuchtfröhliche Picknick!
Aber ob traditionell oder modern – alle Handwägen sind führerscheinfrei. Und das macht sie zum idealen Begleiter für Vatertagsausflüge. Denn nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht gibt es am Himmelfahrtstag mehr alkoholbedingte Unfälle als an jedem anderen Tag des Jahres.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DEPATISnet
Stand: 11.12.2024
Soziale Medien