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Asterix
Weltliteratur mit Wildschweinen
Beim Teutates! Ein echtes europäisches Kulturgut feierte 2019 seinen 60. Geburtstag, und ganz Gallien feierte. Ganz Gallien? Oh ja! Mit Sondermünzen, Briefmarken, Ausstellungen und allem, was dazugehört. Und ebenso seine Fans in aller Welt.
Zum Tod von Albert Uderzo
Der legendäre Zeichner Albert Uderzo starb am 24. März 2020 im Alter von 92 Jahren. Er war gemeinsam mit René Goscinny der Vater von "Asterix" und vielen weiteren Comic-Figuren. Uderzo, der am 25. April 1927 als Sohn italienischer Einwanderer in der Nähe von Reims geboren wurde, hat Generationen von Zeichnern und Comic-Künstlern nachhaltig beeinflusst. Bis ins hohe Alter blieb er handwerklich auf der Höhe seines enormen Könnens. Nicht nur die Millionen "Asterix"-Fans weltweit werden ihn schmerzlich vermissen.
Am 29. Oktober 1959 hatte nämlich Asterix der Gallier seinen allerersten Auftritt in der Pilot-Ausgabe der französischen Jugendzeitschrift „Pilote“. Mit dieser Auftaktfolge der Abenteuer des zaubertrankschluckenden Flügelhelmträgers begann eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte: 380 Millionen Bände der Comic-Reihe wurden bisher weltweit verkauft; sie erschienen in 80 Ländern und 111 Sprachen und Dialekten. Dazu kamen bisher acht Zeichentrickfilme, zwei computer-animierte und vier Realfilme in die Kinos.
Pünktlich zum 60. Geburtstag erschien der 38. Band der Reihe, „Die Tochter des Vercingetorix“, mit einer internationalen Startauflage von fünf Millionen Exemplaren. Davon kamen alleine in Deutschland 1,6 Millionen Exemplare auf den Markt. Hierzulande scheinen die treuesten Fans der unbeugsamen Gallier zu leben, denn rund ein Drittel aller jemals verkauften Asterix-Bände ging in Deutschland über den Ladentisch. Es gibt außerdem Dialekt-Versionen der Abenteuer in insgesamt 29 verschiedenen deutschen Mundarten! Die spinnen, die Goten!
Ganz groß bei den „Goten“
Dass Asterix ausgerechnet hier beinahe noch populärer werden sollte als in seinem Heimatland, wo er zum nationalen Kulturgut zählt, war anfangs nicht abzusehen. Der erste deutsche Lizenznehmer („Fix-und-Foxi“-Macher Rolf Kauka) musste sie wegen grober Verunstaltung des Originals wieder hergeben. Und während die typischen Reisen des Titelhelden zu anderen Völkern ein liebenswürdig-ironisches Spiel mit den nationalen Klischees sind, kommen die Deutschen in „Asterix bei den Goten“ allesamt sehr schlecht weg: Sie tragen Pickelhauben, sind gemein, verschlagen, wollen alle insgeheim „Führer“ werden und ihre Nachbarländer überfallen. Die Erinnerung an die deutsche Angriffslust war 1963 eben noch sehr lebendig in Frankreich. Umso bemerkenswerter, dass die deutschen Comic-Freunde den Asterix-Autoren diese kleinen Bosheiten nicht weiter übelnahmen und die gezeichneten Gallier am nachhaltigsten in ihre Herzen schlossen. Möglicherweise haben die Deutschen doch mehr Humor als gemeinhin angenommen …
Noch ist ihm der Himmel nicht auf den Kopf gefallen
Titel des Ende Oktober 2019 erschienen 38. Asterix-Bandes
Mit 60 ist Asterix im Vergleich zu Micky Maus, Donald Duck oder Tim und Struppi quasi ein Jungspund, aber trotzdem längst ein Klassiker. Werfen wir zum Jubiläum einmal einen kurzen Blick auf die Technik bei Asterix. Die Serie weist nämlich einige interessante Erfindungen auf. Am bekanntesten ist natürlich der Zaubertrank des Druiden Miraculix (1022703), der übermenschliche Kräfte verleiht. Zwar sind Kochrezepte an sich nicht patentfähig, aber ein Stärkungsmittel von derart durchschlagender Wirkung wäre sicherlich dem Patentschutz zugänglich.
Ein weiteres Rezept wäre wahrscheinlich auf dem Markt ebenfalls recht erfolgreich: Asterix´ höllische Suppe aus „Die Lorbeeren des Cäsar“, die auch den grimmigsten Kater sofort kuriert. Hauptzutaten: ein ungerupftes Huhn, Blutwurst, Seife und sehr viele Pfefferschoten. Nebenwirkungen: mehrstufige Gesichtsverfärbungen im Stile eines Andy-Warhol-Serien-Porträts, Hitzewallungen und stark erhöhter Speichelfluss.
Unsere Prüfer würden sicherlich auch gerne die Anmeldung für den Statuen-Sockel des Agenten Nullnullsix, der sich auf Knopfdruck in eine Kutsche verwandelt, in Augenschein nehmen (aus „Die Odyssee“). Nullnullsix trägt als James-Bond-Hommage übrigens die Gesichtszüge von Schauspieler Sean Connery. „Gastauftritte“ dieser Art sind charakteristisch für die Serie. Im selben Band wurden auch die Schauspieler Jean Gabin und Bernard Blier verewigt, in anderen Abenteuern leihen beispielsweise Kirk Douglas, Arnold Schwarzenegger, Vincent Cassel, Lino Ventura, Stan Laurel & Oliver Hardy und viele andere Berühmtheiten Nebenfiguren ihre Gesichter.
Aber zurück zu den Erfindungen: Der Traum eines jeden Naturfreundes sind zweifelsohne die präparierten Eicheln, mit denen Miraculix gefällte Bäume in Sekundenschnelle nachwachsen lassen kann („Die Trabantenstadt“). Auch der fliegende Teppich aus „Asterix im Morgenland“ wäre sicherlich ein Verkaufsschlager.
Zum Thema Vermarktung kann man bei Asterix ebenfalls einiges lernen: Wie der schnöselige Elite-Wirtschaftsuni-Absolvent Technokratus (übrigens eine Karikatur des jungen Jaques Chirac) ein eher plumpes Accessoire wie den Hinkelstein in „Obelix Gmbh & Co KG“ zu einem Verkaufsschlager macht, ist inspirierend. Dagegen sollte Fischhändler Verleihnix, der stolz darauf ist, seine Ware per Ochsenwagen „von renommierten Großhändlern“ aus dem hunderte von Kilometern entfernten Marseille zu beziehen, dringend seinen Vertriebsweg überprüfen. Immerhin hat Verleihnix wenigstens erkannt, dass der Fischverleih keine Zukunft hat.
Gallier gut geschützt
Die Autoren und der Verlag haben selbstverständlich daran gedacht, ihre wildschweinliebenden Raufbolde gut zu schützen: Nicht nur die Namen der Titelhelden Asterix und Obelix sind geschützt, sondern auch Nebenfiguren wie Troubadix (1068120), Grautvornix (305077236) oder die glücklose „Maestria“ sind oder waren als Wortmarken eingetragen (2052555).
Ein Ende der Erfolgsgeschichte ist zum Glück nicht in Sicht: Zwar ging die „klassische“ Periode der unerreichten ersten 23 Bände bereits 1977 mit dem plötzlichen Tod des genialen Texters René Goscinny zu Ende. Albert Uderzo machte - mit schwankender inhaltlicher (nicht zeichnerischer!) Qualität - alleine weiter. Vor wenigen Jahren übergab er an Didier Conrad und Jean-Yves Ferri, die 2021 mit "Asterix und der Greif" bereits ihr fünftes Abenteuer veröffentlicht haben. Mögen noch viele weitere folgen, beim Belenus!
Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: DPMAregister, Ehapa Egmont Verlag
Stand: 09.04.2024
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