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100. Geburtstag von Charles M. Schulz

Snoopy-Marken

Snoopy-Marken DE 2038046, EM 008947715, EM 005468988 und DE 958940 (von links)

Peanuts: Welterfolg mit Neurosen

Der Schöpfer einer der bekanntesten Comic-Reihen der Welt wäre jetzt 100 Jahre alt geworden: Charles M. (für Monroe) Schulz, der Vater der „Peanuts“. Seine Bildgeschichten über eine Handvoll Kinder und einen ungewöhnlichen Hund, die vor über 70 Jahren erstmals erschienen, gehören bis heute zu den wertvollsten Marken der Popkultur.

Sage und schreibe 17.897 Peanuts-Comicstrips zeichnete und textete Schulz in seinem Leben. Und zwar ausschließlich höchstpersönlich - er ließ kein Studio und keine Assistenten für sich arbeiten. Außerdem verfasste er alle Drehbücher für die Fernseh- und Kinoauftritte der Peanuts (DE 906560) selbst. Mitarbeiter hätte er sich durchaus leisten können: die Peanuts hatten ihn steinreich gemacht – ihn und seine Erben. Schulz steht bis heute jedes Jahr sehr weit vorne auf der „Highest-paid dead celebrities“-Liste des Forbes-Magazins. Nur die Erben von Elvis Presley und Michael Jackson verdienen noch mehr an Tantiemen.

Charlie Brown, der liebenswerte Pechvogel – alter ego des Autors

Charles M. Schulz

Charles M. Schulz

Schulz´ Weg zu Ruhm und Reichtum war ihm nicht in die Wiege gelegt. Sein Vater Carl war aus Stendal in die USA eingewandert, die Mutter aus Norwegen. Carl Schulz war Friseur –genau wie der Vater von Charlie Brown, Charles Schulz´ Hauptfigur und alter ego. Charles, geboren am 26. November 1922 in Minneapolis, war ein guter Schüler und nahm nebenbei Fernkurse in Zeichnen. Schon 1937 wurde eine Zeichnung von ihm veröffentlicht. Ihr Inhalt: Eine Episode aus dem Leben seines Hundes „Spike“, eines schwarz-weißen Mischlings, den er als Zwölfjähriger bekommen hatte. Spike wurde später das Vorbild für den vielleicht berühmtesten Comic-Hund der Welt: Snoopy (DE 2036242).

Im Zweiten Weltkrieg kam Schulz als Soldat nach Europa und war unter anderem an der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau beteiligt. Nach seiner Rückkehr arbeitete er in einem katholischen Verlagshaus als Sprechblasen-Texter für das christliche Comic-Magazin „Timeless Topix“. Aber er zeichnete auch eigene Comicstrips, von denen er eine kleine Reihe, die sich um eine Gruppe von Kindern drehte, dem Heft verkaufen konnte.

„Kleine Leute“ werden ganz groß

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Von Freunden ermutigt, arbeitet Schulz intensiv weiter an seinen Geschichten mit den Kindern. „Li’l Folks“ (Kleine Leute) nannte er die Reihe, die bald darauf in einer Tageszeitung gedruckt wurden. 1950 schickte Schulz einige Arbeitsproben an einen Verlag in New York und erhielt einen Vertrag.

Am 2. Oktober 1950 erschien die erste Folge einer Serie, die weltberühmt werden und erst fast 50 Jahre später mit seinem Tod (vorerst) enden sollte. Aber Schulz war (und blieb) unglücklich mit dem Titel: „Peanuts“ hatte irgendein Verlagskaufmann vorgeschlagen. Schulz, der das zeitlebens „total lächerlich“ fand und die Serie lieber nach Charlie Brown benannt hätte, stimmte damals nur zähneknirschend zu.

Sieben Zeitungen veröffentlichten 1950 täglich die Bildgeschichten, die jeweils aus vier Bildern bestanden. Zwei Jahre später waren es schon 40, 1956 über 100. Auf dem Höhepunkt des Erfolges sollten es schließlich rund 2.600 Medien in 75 Ländern und 21 Sprachen sein.

Goldene Sechziger

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In den 1960ern Jahren eroberten die Peanuts die USA und bald auch den Rest der Welt im Sturm. 1965 schafften es Charlie & Co auf den Titel des „Time“-Magazins und der erste abendfüllende TV-Film wurde ausgestrahlt. Die Astronauten der Mondlandungs-Generalprobe Apollo 10 nannten ihre Kommandokapsel „Charlie Brown“ und die Mond-Landefähre „Snoopy“. 1969 sah die Hälfte aller Amerikaner das Weihnachtsspecial „A Charlie Brown Christmas“ (EM 018317495) im Fernsehen und der erste Peanuts-Film kam ins Kino. Der Umsatz des Peanuts- Merchandisings, das 1960 mit ein paar Grußkarten begonnen hatte, betrug in dem Jahr schon mehr als 50 Millionen Dollar, 1971 wuchs er auf 150 Millionen Dollar. Bis in die 1980er Jahre stieg der Umsatz ständig weiter an.

Amerikanische Abgründe

Der allererste Peanuts-Strip

Der allererste Peanuts-Strip, 1950

Warum wurden diese Comicstrips so erfolgreich? Der Humor der Peanuts ist oft eher leise und subtil, melancholisch geradezu. Ihr Charme beruht auf dem kontrastreichen Zusammenspiel der ulkig-schlichten Zeichnungen und den oft nachdenklichen, geradezu philosophischen Dialogen.

Tatschlich spielen Angst und Bosheit eine riesige Rolle in der amerikanischen Vorstadt-Welt der Peanuts. Nein, Kind sein ist hier kein Honigschlecken – sozialer Druck, Versagensängste, aber auch ungezähmte kindliche Grausamkeit, verkörpert vor allem in der Figur der Lucy (EM 00894781), sind allgegenwärtig. Diese Abgründigkeit zeigt sich schon in der allerersten Folge, in der ein Kind bekennt, wie sehr es Charlie Brown hasst.

Erwachsene treten in den Comics niemals direkt auf. Aber ihre Zwänge, Erwartungen und Machtkämpfe spiegeln sich im Sozialverhalten der Kinder. Ob im Klassenzimmer, auf dem Baseball-Platz oder dem Dach von Snoopys Hundehütte: Wir sehen sie alle dem amerikanischen Traum hinterherhecheln. Es ist das Land, wo die Neurosen blühen. Schulz, der immer wieder betonte, nicht für Kinder, sondern für Erwachsene zu zeichnen, wusste, wovon er erzählte.

Warten auf den Großen Kürbis

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Die Kinder bemühen sich um Fluchtstrategien: Linus (EM 008947772) hat seine tröstende Schmusedecke (im Original „security blanket“) und hofft auf den Großen Kürbis, der zu Halloween erscheinen soll (siehe EM 018317489). Schroeder hat seinen geliebten Beethoven. Die narkoleptische Peppermint Patty verschläft kritische Situationen gerne. Und der ernsthafte, unglückliche Charlie Brown (EM 008947781) geht zur Psychiater-Straßenbude, die ausgerechnet seine Peinigerin Lucy betreibt.

Die einzige Figur, die einigermaßen frei von Erwartungsdruck durchs Leben gehen darf, ist der populärste Charakter der Peanuts: Snoopy. Der Beagle darf sich in vielen Rollen ausleben, besonders gerne als „Joe Cool“, als Schriftsteller oder als Fliegerass im Ersten Weltkrieg, der Jagd auf den „Roten Baron“ macht (EM 008947715).

Ein halbes Jahrhundert am Zeichentisch

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Fast 50 Jahre lang zeichnete und textete Charles M. Schulz ganz alleine für jeden Wochentag einen drei- bis vierbildrigen „Strip“; für Sonntage gab es etwas längere Episoden. 1999 gab er bekannt, seine Arbeit einzustellen. Nur wenige Monate später, am 12. Februar 2000, starb er. Tags darauf erschien der letzte seiner Strips.

Obwohl Schulz festgelegt hatte, dass sein Werk nicht fortgeführt werden darf, gab es bald doch wieder neue Peanuts-Folgen und 2015 einen Animations-Kinofilm. Zu lukrativ sind die Marken, die teilweise erst lange nach seinem Tod angemeldet wurden und heute der „Peanuts Worldwide LLC“ gehören. Diese wiederum ist zu 20 Prozent im Besitz der Erben von Schulz; den Rest teilen sich Sony und eine Firma namens "WildBrain". Die Peanuts sollen nicht zuletzt dank des Markenschutzes Milliarden-Umsätze eingebracht haben und bis heute jährlich Gewinne im dreistelligen Millionenbereich einfahren.

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DPMAregister, NYWTS Roger Higgins World Telegram staff photographer / Public domain via Wikimedia Commons, DPMAregister, Peanuts Worldwide LLC

Stand: 09.04.2024