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150. Geburtstag
Melitta und Hugo Bentz
Melitta Bentz und die Neuerfindung des Kaffees
Große Geschichten beginnen manchmal mit kleinen Einfällen. 1908 wurde beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin ein Gebrauchsmuster angemeldet, das in mehrfacher Hinsicht bedeutsam ist: Zum einen gehörte die Anmelderin zu den ersten Frauen, die ihre eigenen Erfindungen schützen ließen. Zum anderen war diese Erfindung so erfolgreich, dass sie bis heute praktisch in keinem Haushalt fehlt und ein Unternehmen begründete, das auch über ein Jahrhundert später noch floriert.
Amalie Auguste Melitta Liebscher wurde vor 150 Jahren, am 31. Januar 1873, in Dresden als Tochter eines Buchhändlers geboren. Sie heiratete den Kaufmann Emil Hugo Bentz und bekam mit ihm zwei Söhne, Willy und Horst. Wie jede Hausfrau suchte Melitta Bentz ständig neue Lösungen für die diversen Herausforderungen des Alltags. Das ist in einem Unternehmen im Prinzip nicht anders - und Melittas Haushalt sollte schon sehr bald ein Unternehmen sein.
Genial einfach - einfach genial
Kaffeefilter "Original Melitta No 1"
Melitta Bentz suchte neue Wege, besseren Kaffee zu brauen. Bis dahin wurde das Getränk meist gebrüht, indem man heißes Wasser auf gemahlene Kaffeebohnen goss und wartete, bis sich das Pulver am Boden der Kanne einigermaßen abgesetzt hatte (deswegen haben Kaffeekannen – im Gegensatz zu Teekannen, in denen die Blätter oben schwimmen – die Tülle oben). Alternativ konnte man das Gemisch auch absieben. Aber das ergab selten einen sauberen Kaffee, denn die Löcher im Sieb waren meist entweder zu klein und verstopften oder aber zu groß und der Satz schwamm doch wieder größtenteils in der Tasse. Oft war der Kaffee nach dieser Prozedur nur noch lauwarm. Und der Kaffeesatz verursachte einen unangenehmen Nachgeschmack.
Melitta Bentz experimentierte in ihrer Küche mit einem grob durchlöcherten Messingbecher als Sieb. Dann hatte sie die Idee, zusätzlich einen Filter in den Becher einzulegen und suchte nach einem geeigneten Material. Fündig wurde sie im Schulheft ihres Sohnes: Sie nahm ein Blatt Löschpapier, schnitt es zu und legte es in den Becher. Diese ebenso einfache wie geniale Idee bedeutete eine Revolution in der Kaffeezubereitung und war die Geburtsstunde eines bis heute erfolgreichen Unternehmens.
Melitta Bentz tüftelte weiter an der Optimierung ihrer Erfindung und meldete sie am 20. Juni 1908 beim Kaiserlichen Patentamt als Gebrauchsmuster an: "Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem und mit Vertiefung versehenem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern". Das gewerbliche Schutzrecht wurde mit Registrierung vom 8. Juli 1908 auf Seite 1145 der Patentblätter des Kaiserlichen Patentamts zu Berlin eingetragen (diese und andere Gebrauchsmusterschriften von Melitta gingen leider im Zweiten Weltkrieg verloren).
Ein Familienbetrieb entsteht
Melitta Kaffeefilter: Zeichnung aus der Patentschrift DE 653796A (1937)
Bentz erkannte früh das kommerzielle Potenzial ihrer Erfindung und unternahm erste Schritte zur Vermarktung des neuen Filters. Mit ihrem Mann, der seinen Job bald zugunsten der gemeinsamen Geschäftsidee an den Nagel hängte, gründete sie ein Unternehmen. Schon am 15. Dezember 1908 folgte die Eintragung der neuen Firma ins Handelsregister. Sitz dieses „Kaufmännischen Agentur- und Komissionsgeschäftes“ mit dem Titel „M. Bentz, Marschallstraße 31“ sowie einem eingetragenen Startkapital von 72 Reichspfennigen war zunächst ein Zimmer in der Dresdner Wohnung der Familie Bentz.
Die ersten 50 Filterkörper ließ Melitta in einer Metallwarenfabrik in Westfalen fertigen, das erste Filterpapier lieferte eine Papierfabrik in Sachsen. Das Ehepaar erwies sich auch bei der Vermarktung als höchst erfinderisch. Zunächst begann Hugo Bentz, die örtlichen Geschäfte abzuklappern und ihre Erfindung vorzustellen. Dann führte er den Filter in den Schaufenstern der Läden vor. So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben, das sorgte für Aufsehen. Später übernahmen eigens engagierte „Vorführdamen“ diese Aufgabe. Melitta erfand derweil praktisch den Strukturvertrieb und demonstrierte ihren Filter bei privaten Kaffeekränzchen – ein Verkaufsmodell, das bis heute von manchen Unternehmen erfolgreich gepflegt wird.
Melitta Bentz
Auch die beiden Söhne wurden in dem jungen Familienunternehmen eingesetzt – sie lieferten die Ware per Bollerwagen an die ersten Kunden aus. 1909 wurden die Filter auf der Leipziger Messe vorgestellt und mit über 1.200 verkauften Exemplaren ein großer Erfolg. 1910 erhielt der "Filtrierapparat" auf der internationalen Hygieneausstellung in Dresden Medaillen.
Das Ehepaar baute seine kleine Firma kontinuierlich aus und schützte sie durch Marken: Sie ließen 1911 die Wortmarke „Melitta“ für „Kaffeefilter“ (Az. 156 696/21, angemeldet 13. 09. 1911) und 1913 eine gleichlautende Wortmarke für „Haus- und Küchengeräte, Filtrierpapier, Koch- und Heizapparate“ (Az. 180 819/07, angemeldet 27. 03. 1913) eintragen. Beide sind noch heute gültig.
Firmenchefin in schweren Zeiten
Der Erste Weltkrieg warf Melitta aber sehr zurück: Der Kaffeeimport kam zum Erliegen, Papier wurde knapp, Melittas Mann und Sohn mussten an die Front. Quasi im Alleingang brachte sie das kleine Unternehmen durch die Kriegsjahre und die unruhige Zeit danach. 1923 wurde ihr ältester Sohn Willy Mitinhaber und beflügelte den Vertrieb. Der Aufschwung der Firma, die nun „Bentz & Sohn OHG“, hieß, begann.
Zum Schutz vor Nachahmern führte Melitta 1925 die heute noch übliche rot-grüne Farbkombination für ihre Filterpapierpackungen ein und schützte sie markenrechtlich. 1929 wurde der Raum in Dresden zu knapp; das Unternehmen übersiedelte nach Minden in Westfalen, wo es bis heute sitzt. Es wurde 1932 in „Melitta-Werke AG“ umbenannt.
Der Filter erhält seine bis heute gültige Form
DE652010, Melittas Filterpatent von 1936
Zwischen 1932 und 1937 entwickelte das Unternehmen der Familie Bentz den Metall-Rundfilter zum Schnellfilter aus Porzellan weiter. Dazu wurde anfangs planes Filterpapier benutzt, das durch einen Aluminium-Eindrücker in die richtige Form kam. 1936 erhielt der Porzellan-Filter eine neue Form: Der Boden war fortan oval und lief konisch zu, wie aus der Patentschrift DE 652010 ersichtlich. Dazu entwickelte die Firma passende Filtertüten, die sich der Form des Filtergefäßes besser anpassten, da das Filterpapier auf den Rippen der Innenwandung auflag. Diese Form des Filters und der Filtertüten behielt das Unternehmen praktisch bis heute bei. Die Filtertüte wurde unter der Nummer DE 640946 patentiert.
Mit der Zeit entwickelte sich aus dem Familienunternehmen eine sehr erfolgreiche und entwicklungsfreudige Unternehmensgruppe, die weltweit hunderte von Patenten anmeldete. Melitta brachte beispielsweise 1962 als erster Anbieter gemahlenen Kaffee in einer Vakuumverpackung auf den deutschen Markt und präsentierte eine der ersten elektrischen Kaffeemaschinen (1965).
Melitta Bentz starb am 29. Juni 1950 in Holzhausen bei Minden. Das Wohnzimmer-Unternehmen, das von ihr einst mit ein paar Pfennigen Kapital gegründet wurde, produziert heute jeden Tag rund 50 Millionen Kaffeefilter. Denn trotz Tabs und Kapseln erfreut sich der klassische Filterkaffee weiterhin größter Beliebtheit (Melitta bedient heute aber auch die Freunde von Vollautomaten und Pads). Der Konzern, der mittlerweile mehrere Dutzend Firmen und Tausende Mitarbeiter umfasst, wird derzeit in der vierten Generation von Melitta Bentz´ Familie geführt.
Bilder: Wikimedia Commons, Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg, via Wikimedia Commons, DEPATISnet
Stand: 13.11.2024
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