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275. Geburtstag von Caroline Herschel

Caroline Herschel, 1829
Eine Frau greift nach den Sternen
Caroline Herschel, die am 16. März 1750 in Hannover geboren wurde, war eine Pionierin in mehr als einer Hinsicht. Als einer der ersten Frauen erarbeitete sie sich in einer Naturwissenschaft die Ehre und Anerkennung der Fachwelt. Und sie war die erste Wissenschaftlerin, die dafür bezahlt wurde – die erste professionelle Astronomin der Welt!
Wenn es nach ihrer Mutter gegangen wäre, würde heute kein Mensch mehr ihren Namen kennen. Caroline Lucretia Herschel ist das zweitjüngste der sechs überlebenden Kinder von Isaak und Anne Ilse Herschel und die jüngste Tochter. Ihre älteren Brüder erhalten vom Vater, der als Militärmusiker arbeitet, eine solide musikalische Grundausbildung. Auch Caroline darf Violine lernen und sogar an der Garnisonsschule Lesen und Schreiben lernen (aber kein Rechnen), was damals für Mädchen noch völlig unüblich ist.
Die Mutter sieht in Caroline in erster Linie eine Haushaltshilfe, besonders nachdem ihre ältere Schwester heiratet. Sie soll "ein roher Klotz sein und bleiben, allerdings aber ein nützlicher", so die Mutter. Caroline muss die Familie bekochen, bedienen. Der Vater hätte sie gerne noch auf eine höhere Schule geschickt, aber die Mutter besteht darauf, dass sie bei einer Näherin in die Lehre geht. Sie muss für die Familie Strümpfe, Hauben und Decken nähen, stricken, säumen, sticken.
„Aschenputtel“ für immer?
„Ich vermochte den Gedanken, dass ich ein Aschenputtel oder eine Hausmagd werden sollte, nicht zu ertragen“, erinnert sich Caroline Herschel später. Der Vater betreibt heimlich ihre musikalische Ausbildung weiter und erklärt ihr und den Brüdern den nächtlichen Sternenhimmel. So erwacht bei ihrem zwölf Jahre älteren Bruder Wilhelm und ihr die Begeisterung für die Astronomie.
Als Kind erkrankt sie an Typhus. Das beeinträchtigt ihr Wachstum; sie soll etwa 1,40 Meter klein bleiben. Als sie 17 Jahre alt ist, stirbt der Vater. Ihre Brüder arbeiten mittlerweile alle in England (das damals mit Hannover in Personalunion verbunden ist; der Kurfürst ist zugleich König von Großbritannien). Für ihre Mutter ist sie als Haushaltshilfe unentbehrlich. Ihr Schicksal als „Aschenputtel“ scheint besiegelt.
Rettung aus England
Doch ihr Bruder Wilhelm errettet sie. Er hat es im englischen Bath als Komponist und Orchesterleiter zu Ansehen gebracht und holt Caroline 1772 zu sich. Die Mutter lässt sie freilich erst gehen, als Wilhelm ihr genug Geld zusagt, um ein Hausmädchen als Ersatz für Caroline einzustellen.
Auch für Wilhelm führt Caroline nun den Haushalt – aber eben nicht nur: Sie lernt jetzt mit größtem Eifer Englisch und Mathematik bei ihrem Bruder. Außerdem bildet sich als Sängerin aus und hat schließlich einigen Erfolg, etwa als Solistin in Händels „Messias“ unter der Leitung ihres Bruders.
Aber neben der Musik haben beide ein gemeinsames Hobby, das immer mehr Berufung und Profession wird: die Astronomie. Von der „Auszubildenden“, die ihren Bruder buchstäblich füttern muss, weil er fast ununterbrochen arbeitet, wächst Caroline im Lauf der Jahre zur kongenialen Partnerin Wilhelms heran. Die beiden werden ein Team, das Wissenschaftsgeschichte schreibt.
Eine Entdeckung verändert das Universum
Sie bauen Teleskope, zunächst mit 2.000-bis 6.000facher Vergrößerung, was damals sensationell ist und etwa einen guten Blick auf die Mondkrater erlaubt. Die Teleskope werden bald immer größer auf aufwändiger, teils unter Gefahr für Leib und Leben gebaut und teilweise auch verkauft. Die Nächte verbringen sie mit Himmelsbeobachtungen: Wilhelm beobachtet, sie notiert und analysiert die Daten, erstellt Systematiken und Beobachtungspläne.
1777 ziehen sie in ein neues Haus in Bath (19 King Street), das heute als Herschel-Museum besichtigt werden kann. Dort geschieht etwas, das ihrer beider Leben und die Astronomie für immer verändern wird: Am 13. März 1781 entdeckt Friedrich Wilhelm Herschel einen neuen Planeten - den Uranus.
Wilhelm wird dank dieser wissenschaftlichen Sensation praktisch über Nacht berühmt. Von einem Tag auf den anderen wuchs das damals bekannte Sonnensystem um das Achtfache! König George III. bietet Herschel die Stelle eines königlichen Hofastronomen mit dem Jahresgehalt von 200 Pfund an. Endlich kann er seine Leidenschaft zum Beruf machen.
Ein Jobangebot von historischer Dimension
Auch Caroline entschließt sich, ihre Karriere als Musikerin nicht fortzusetzen und sich gemeinsam mit Wilhelm nun ganz der Wissenschaft zu widmen. Und tatsächlich erhält auch sie ab 1787 als anerkannte wissenschaftliche Mitarbeiterin Wilhelms ein festes Gehalt von 50 Pfund vom Hof. Das macht sie zur ersten beruflichen Astronomin der Welt und wahrscheinlich zur ersten Frau überhaupt, die für eine naturwissenschaftliche Tätigkeit bezahlt wird.
Für Caroline bedeutet das sehr viel. Es ist "das erste Geld, das ich in meinem ganzen Leben für mich besaß und nach meinem Belieben verwenden konnte. Damit wurde mir ein sehr unbehagliches Gefühl von der Seele genommen.“
1786 ziehen die beiden nach Slough, wo sie ein 13 Meter langes Teleskop mit einem Durchmesser von 1,5 Metern bauen lassen – eine Attraktion, die viele Besucher anzieht (darunter Joseph Haydn), die manchmal gar von einem „Weltwunder“ sprechen. Caroline forscht nun auch direkt am Teleskop (besonders, wenn ihr Bruder verreist ist).
Die Kometenjägerin
Als Wilhelm 1788 heiratet, gibt Caroline "meinen Posten als Haushälterin" auf und zieht in eine Mietwohnung. Der Schwägerin begegnet sie zunächst mit Misstrauen, aber als ihr Neffe John 1792 geboren wird, zu dem sie ihr Leben lang eine enge Beziehung haben wird, bessert sich das Verhältnis (John wird später ebenfalls ein berühmter Astronom und Universalgelehrter).
Die Geschwister bleiben weiter ein erfolgreiches wissenschaftliches Team. Caroline kann nun immer mehr auch ihre eigenen Forschungen betreiben. Am 1. August 1786 entdeckt Caroline ihren ersten Kometen (35P/Herschel-Rigollet). Soweit bekannt, ist sie die erste Frau überhaupt, der dies gelingt. Ihr Unterstützer Sir Joseph Banks und die Royal Society fördern die Kommunikation der Entdeckung - ihre erste eigene wissenschaftliche Publikation.
Caroline entdeckt insgesamt 8 Kometen, außerdem hunderte von Sternennebeln (Nebulae) und Sternhaufen. 1797 legt sie der Royal Society einen Index und Ergänzungen zu John Flamsteeds Sternenkatalog vor, unter anderem mit einer Liste von 561 Sternen, die darin bis dahin fehlen.
Nach einem halben Jahrhundert nach Hause
Als Wilhelm 1822 stirbt, beschließt Caroline, England nach 50 Jahren zu verlassen und nach Hannover zurück zu kehren. Ihren langen Lebensabend verbringt sie bei der Familie ihres Bruders Dietrich. Die kleine alte Dame ist längst eine Berühmtheit in wissenschaftlichen Kreisen und erhält mehrere internationale wissenschaftliche Ehrungen, etwa die Goldmedaille und die Ehrenmitgliedschaft der Royal Astronomical Society (wiederum als erste Frau). Berühmte Wissenschaftler wie Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt besuchen sie.
Caroline Herschel stirbt mit 97 Jahren am 9. Januar 1848 in Hannover. Seit 2022 verleihen die Royal Astronomical Society und die Astronomische Gesellschaft gemeinsam die Caroline-Herschel-Medaille, mit der abwechselnd britische und deutsche Astronominnen geehrt werden.
Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: Melchior Gommar Tieleman (Foto unbekannt; Public domain via Wikimedia Commons), Lemuel Francis Abbott (Nattional Portrait Gallery, Public domain via Wikimedia Commons), Paul Fouch (Public domain via Wikimedia Commons), Herschel-Museum (Foto: Mike Peel, CC by SA 4.0), Library of Congress 2004669299 Popular Graphic Arts Publiic domain via Wikimedia Commons, Georg Müller (Public domain via Wikimedia Commons)
Stand: 12.03.2025
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