Inhalt
Marie Curies 90. Todestag
Marie Curie 1911 (offizielles Foto zu Verleihung des Chemie-Nobelpreises)
Strahlende Ikone der Wissenschaft
Sie ist bis heute die wohl bekannteste Wissenschaftlerin der Welt: Marie Curie, die vor 90 Jahren starb. Eine Frau der Superlative: Als Erste etablierte sie sich in der naturwissenschaftlichen Spitzenforschung, prägte den Beginn des Atomzeitalters mit und erhielt als einziger Mensch Nobelpreise in Physik und Chemie.
Der Weg zu Ikone der Wissenschaft war lang und steinig für Marya Sklodowska, die am 7. November 1867 in Warschau geboren wird. Damals steht „Kongresspolen“ unter russischer Herrschaft; polnische Kulturentfaltung wird ebenso unterdrückt wie höhere Bildung für Frauen. Sklodowska geht deshalb 1891 zum Studium nach Paris, wo sie ihr Leben lang bleiben soll, ohne den Kontakt zur Heimat abreißen zu lassen.
1895 heiratet sie Pierre Curie, der ihr Partner und Kollege wird. Als Henri Bequerel 1896 (im Kielwasser Röntgens) entdeckt, dass eine Uranverbindung eine fotografische Platte schwärzt, studieren die Curies dieses Phänomen. Es wird ihr Lebensthema. „Radioaktivität“ sollte Marie Curie (wie sie sich jetzt nennt) es später taufen. Sie forschen, ob auch andere Elemente Strahlung aussenden, und landen schließlich beim Mineral Pechblende. Die Curies stellen fest, dass es radioaktiver als Uran ist und folgern daraus, dass es weitere strahlende Substanzen enthalten muss.
Harte Arbeit im hölzernen Schuppen
Aus böhmischen Bergwerken erhalten die Curies mehrere Tonnen Pechblende-Abfälle zu Studienzwecken. Als „Labor“ dient ihnen ein windiger Holzschuppen, der zuvor als Sezierraum genutzt worden war. Dort müssen sie in harter körperlicher Arbeit ihr Forschungsmaterial in großen Bottichen auflösen, kochen, filtern, analysieren.
"Und doch waren die Jahre in dem elenden alten Hangar die besten, glücklichsten, einzig und allein der Arbeit gewidmeten Jahre unseres Lebens", erinnert sich Marie Curie später. "Manchmal musste ich einen ganzen Tag lang eine siedende Masse mit einer Eisenstange umrühren, die fast ebenso groß war wie ich. Wenn uns kalt war, stärkten wir uns mit einer Tasse heißen Tees, die wir beim Ofen einnahmen. Wir lebten wie in einem Traum, von der einen, einzigen Sache erfüllt."
Um sich finanziell über Wasser zu halten, müssen beide nebenher noch unterrichten. Marie nutzt im Unterricht die Methode der experimentellen Demonstration – damals ein Novum. Außerdem wird 1897 ihre erste Tochter Irène geboren.
Zwei neue Elemente
Der wissenschaftliche Erfolg stellt sich bald ein: Aus der Pechblende isolieren die Curies zwei unbekannte Elemente. Das eine benennt Marie nach ihrer Heimat „Polonium“, das andere taufen sie „Radium“. Marie erhält erste Wissenschaftspreise, spürt aber auch bereits körperliche Beeinträchtigungen infolge der Beschäftigung mit dem strahlenden Material, dessen Gesundheitsgefahren noch nicht bekannt sind.
Das Jahr 1903 bringt den endgültigen Durchbruch: Marie promoviert mit ihrer Arbeit "Recherches sur les substances radioactives" bei Becquerel und alle drei erhalten gemeinsam den Nobelpreis für Physik "für die Entwicklung und Pionierleistung auf dem Gebiet der spontanen Radioaktivität und der Strahlungsphänomene". Es heißt, die Akademie wollte ursprünglich nur Pierre Curie und Bequerel auszeichnen, beugte sich aber dann dem Protest Pierres, der auf die Würdigung des Beitrags seiner Frau bestand. Marie wird die erste Frau, die einen Nobelpreis erhält.
Marie Curie lässt übrigens ihren Prozess zur Isolierung von Radium bewusst nicht patentieren, so heißt es, damit die wissenschaftliche Welt unbehindert weiter daran forschen kann (allerdings hätte sie nach damaligem französischen Recht auch gar kein Patent anmelden dürfen – nur ihr Ehemann…).
Alleinerziehende Witwe, zwei Töchter, zwei Nobelpreise
Die Liebes- und Erfolgsgeschichte des Ehepaares Curie nimmt ein tragisches Ende, als Pierre 1906 bei einem Verkehrsunfall stirbt. Marie ist mit 38 Jahren Witwe und Mutter zweier kleiner Töchter, die trotz des Nobelpreises weiter hart kämpfen muss, um sich im männerdominierten Wissenschaftsbetrieb durchzusetzen. Und es gelingt ihr. Zunächst darf sie die Lehrverpflichtungen ihres verstorbenen Mannes vertretungsweise übernehmen, zwei Jahre später aber wird sie an der Sorbonne die erste ordentliche Professorin Frankreichs.
Während weltweit ihr Ansehen steigt, hat sie in Frankreich zeitweise einen sehr harten Stand. Die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften wird ihr verwehrt. Eine mediale Schmutzkampagne gegen die „Ausländerin“ bricht 1911 los, als ihre Beziehung mit Paul Langevin bekannt wird, einem verheirateten Kollegen und ehemaligem Schüler ihres Mannes. Es kommt so weit, dass ein wütender Mob ihr Haus belagert und sie mit ihren Kindern bei einer Freundin Unterschlupf suchen muss. Die Affäre gipfelt in Gerichtsprozessen und Duellen.
Aber im gleichen Jahr veröffentlicht Curie ihre Arbeit "Traité de Radioactivité" und erhält ihren zweiten Nobelpreis – diesmal in Chemie, für die Entdeckung des Radiums. Sie ist bis heute der einzige Mensch, der den Preis in zwei naturwissenschaftlichen Kategorien gewonnen hat (der Chemiker Linus Pauling gewann seinen zweiten Preis in der Kategorie „Frieden“).
Mit dem Röntgen-Mobil an die Front
EM 012931028
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges ist Curie eine weltweit berühmte Wissenschaftlerin. 1914 wird sie Leiterin des neuen Radium-Instituts an der Sorbonne, das sich zu einem der weltweit führenden Zentren für Nuklearphysik entwickelt. Heute trägt es ihren Namen (natürlich markengeschützt; siehe EM 003515673, IR 1120170, IR 1557383). Auf den einflussreichen Solvay-Fachtagungen ist sie von Beginn an eine prägende Teilnehmerin – und bleibt für Jahrzehnte die einzige Frau, bis 1933 ihre Tochter und Lise Meitner ebenfalls teilnehmen dürfen. Irène Curie arbeitet an ihrem Institut mit und erhält 1935 gemeinsam mit ihrem Ehemann Frédéric Joliot ebenfalls den Nobelpreis für Chemie.
Im Weltkrieg entwickelt Curie gemeinsam mit Irène eine mobile Röntgenstation. Sie macht den Führerschein und fährt den Wagen persönlich an die Front, um verletzte Soldaten vor Ort zu untersuchen. Auf ihre Initiative entstehen im Krieg nach und nach rund 200 radiologische Zentren.
Ein Gramm vom Weißen Haus
Deswegen mangelt es nach Kriegsende ihrem Institut an Radium. Dank der Kampagne einer amerikanischen Journalistin wird in den USA für sie gesammelt. 1921 überreicht ihr US-Präsident Harding im Weißen Haus ein Gramm Radium im Wert von 100.000 Dollar für ihr Institut. 1929 bereist sie erneut Amerika und erhält wieder Radium, diesmal für ein neues Institut in Warschau.
Curie tritt auch auf diesen PR-Reisen, bei denen sie mit Ehrendoktorwürden und Auszeichnungen überhäuft wird, stets ruhig, bescheiden und unprätentiös auf. Albert Einstein soll über sie gesagt haben, sie sei die einzige Person, der Ruhm nicht zu Kopf steige.
Aber die lebenslange Beschäftigung mit radioaktivem Material ruiniert ihre Gesundheit. Marya Sklodowska Curie stirbt am 4. Juli 1934 in Passy und wird neben ihrem Mann begraben. Als Frankreich 1995 beschließt, die Überreste der beiden in ein Ehrengrab im Pantheon in Paris zu überführen, müssen sie dort in Bleisärgen beigesetzt werden – ihre Überreste strahlen noch immer. Selbst Curies Arbeitspapiere und sogar ihr Kochbuch sind noch immer radioaktiv kontaminiert und dürfen bis heute nur mit Schutzkleidung eingesehen werden.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Generalstabens Litografiska Anstalt Stockholm via Wikimedia Commons, Pierre Curie / Public domain, via Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons, Benjamin Couprie / Public domain via Wikimedia Commons, DPMAregister, Public domain via Wikimedia Commons
Stand: 13.11.2024
Soziale Medien