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Nobelpreise 2020
Alle Nobelpreisträger 2020 (Zeichnungen von Niklas Elmehed)
Gen-Schere, Schwarze Löcher & Lyrik:
Vier Frauen freuen sich über Nobelpreise
Vier Frauen erhalten in diesem Jahr einen Nobelpreis – das ist in der Geschichte dieser Auszeichnung außergewöhnlich. Die Zahl der weiblichen Preisträgerinnen in Physik steigt damit um ein Drittel: Andrea Ghez ist in fast 120 Jahren erst die vierte Frau, die diesen Preis erhält. In Chemie steigt die Zahl der weiblichen Preisträgerinnen von fünf auf sieben, da Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna sich in diesem Jahr den Preis teilen. Außerdem erhält mit Louise Glück eine Lyrikerin den Literatur-Nobelpreis (als immerhin bereits 16. Frau in dieser Kategorie).
Nur 2009 erhielten mehr Frauen Nobelpreise. An der steigenden Zahl der Preisträgerinnen in den letzten Jahren kann man die immer größere Rolle von Forscherinnen in den Naturwissenschaften ablesen – und vielleicht auch das Bemühen der Akademie, den Vorwurf zu entkräften, sie habe weibliche Wissenschaftler jahrzehntelang ungleich behandelt. Von den 930 Nobelpreisträgern seit 1901 waren nur 57 Frauen.
Die Entdeckerinnen der Gen-Schere ausgezeichnet
Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna hofften eigentlich, eine neue Form der Antibiotika entwickeln zu können, als sie das Immunsystem eines Streptokokkenbakteriums untersuchten. Stattdessen entdeckten sie 2012 ein molekulares Werkzeug, mit dem sich präzise Schnitte in das genetische Material und somit Veränderungen am Code des Lebens machen lassen (siehe u.a. DE20201012242U1 (6,37 MB), „Zusammensetzungen für die durch RNA gesteuerte Modifikation einer Ziel-DNA und für die durch RNA gesteuerte Modulation der Transkription“).
Als Entdecker der genetischen Schere CRISPR/Cas9 wurden Charpentier (Leiterin der Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene in Berlin) und Doudna (Berkeley) weltbekannt und bereits vielfach ausgezeichnet. Nun teilen sie sich den Nobelpreis 2020 für Chemie. Die CRISPR-Technologie, so die Akademie in Stockholm, „hat einen revolutionären Einfluss auf die Biowissenschaften gehabt, trägt zu neuen Krebstherapien bei und könnte den Traum von der Heilung vererbter Krankheiten wahr werden lassen.“
CRISPR und Schutzrechte
Die Arbeit der beiden Forscherinnen schlägt sich selbstverständlich auch in der Patentliteratur vielfältig nieder. Doudna meldete zuletzt im Juni dieses Jahres eine CRISPR-Weiterentwicklung in den USA an („Type C CRISPR/CAS effector proteins for cleaving SSDNAS and detecting target DNAS“, US2020/0299768A1 (10,46 MB)).
Charpentier meldete zuletzt im Juli „Methods and compositions for RNA-directed target DNA modification and for RNA-directed modulation of transcription“ ( US2020/0354748A1 (18,13 MB)) an; als Erfinder sind „Doudna et al.“ benannt.
Jennifer Doudna gab sich im Gespräch mit der Akademie optimistisch, dass von ihrer Auszeichnung eine Signalwirkung ausgehen kann: „Ich habe das Gefühl, dass unter Frauen und Mädchen manchmal das Gefühl herrscht, dass ihre Arbeit, egal was sie tun, nicht so anerkannt wird, wie es wäre, wenn sie ein Mann wären. Ich hoffe, dass dieser Preis und diese Anerkennung das zumindest ein wenig ändert und dass er andere Frauen, die in der Wissenschaft oder sogar in anderen Bereichen tätig sind, ermutigt, zu erkennen, dass ihre Arbeit eine echte Wirkung haben kann.“
Schwarze Löcher erhellt
Andrea Ghez, Astronomie-Professorin in Los Angeles, ist erst die vierte Frau, die in Physik ausgezeichnet wird. Nach Marie Curie 1903 dauerte es 60 Jahre, ehe Maria Goeppert-Mayer gewann. Wieder vergingen Jahrzehnte, ehe 2018 Donna Strickland den Preis erhielt. „Nur“ zwei Jahre später gewinnt erneut eine Frau –ein gutes Zeichen für alle Wissenschaftlerinnen dieser Welt. Das findet auch Ghez, der es „immer wichtig war, junge Frauen zur Wissenschaft zur ermutigen“, wie sie im Gespräch mit der Akademie sagte.
Ghez teilt sich den Physik-Nobelpreis 2020 mit zwei Kollegen. Neben dem Briten Sir Roger Penrose, der in Oxford lehrt, erhält auch ein deutscher Forscher den begehrten Preis: Reinhard Genzel, der das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München leitet.
Die drei werden für ihre Forschung zu Schwarzen Löchern ausgezeichnet. Penrose, eine auch weit über Fachkreise hinaus bekannte Koryphäe, bewies einst mathematisch, dass die Bildung von Schwarzen Löchern eine Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein ist. Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften spricht ihm dafür die eine Hälfte des Preises zu. Die andere teilen sich Reinhard Genzel und Andrea Ghez "für die Entdeckung eines supermassiven kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie".
Notiz am Rande: Für einen Physiker und Mathematiker wie Penrose sind Patentanmeldungen eher unüblich, aber der Brite ließ sich eine Art geometrisches Dekorations-Muster patentieren: „Set of tiles for covering a surface“ ( US4133152): „Die Fliesen der Erfindung können zur Gestaltung eines lehrreichen Spiels oder als optisch ansprechender Boden- oder Wandbelag o.ä. verwendet werden.“
Erfolgreich im Kampf gegen Hepatitis C
Der diesjährige Medizinpreis wird an drei Wissenschaftler verliehen, die einen entscheidenden Beitrag zum Kampf gegen die durch Blut übertragene Hepatitis geleistet haben. Hepatitis C ist ein globales Gesundheitsproblem; sie kann Leberzirrhose und Leberkrebs verursachen. Die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus durch die Nobelpreisträger war eine bahnbrechende Leistung im laufenden Kampf gegen Viruserkrankungen. Dank Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice stehen nun hochempfindliche Bluttests auf das Virus zur Verfügung, mit denen Hepatitis-Infektionen nach Bluttransfusionen weitgehend eliminiert werden konnten.
All drei Wissenschaftler sind an zahlreichen Patenten beteiligt. Michael Houghtons Arbeit schlug sich beispielsweise in „Hepatitis-Delta-Diagnostika und Impfstoffe, ihre Herstellung und Verwendung“ ( DE3788902T3 (2,49 MB)) von 1987 oder „Zusammensetzung aus mehreren immunreaktiven Hepatitis-C-Virus-Polypeptiden“ ( DE69232859T2 (3,97 MB), angemeldet 1991) nieder.
Charles Rice ist u.a. (Mit-)Autor von „Neue 3' terminale Sequenz von Hepatitis C viralen Genom und seine diagnostische und therapeutische Verwendung“ ( DE69620432T2 (3,8 MB), angemeldet 1996). Harvey Alter war zuletzt u.a. an „Methods and compositions for detecting transfusion-transmitted pathogens“ ( WO2020/160502A1 (10,83 MB)) beteiligt.
Den Preis für Wirtschaftswissenschaften teilen sich in diesem Jahr die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson „für Verbesserungen der Auktionstheorie und Erfindungen neuer Auktionsformate". Der Friedensnobelpreis geht an das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen für seinen Kampf gegen den Hunger.
Wegen der Pandemie-Situation gibt es in diesem Jahr keine traditionelle Nobelpreis-Woche mit zeremoniellen Preisverleihungen und Bankett in Stockholm – die Preisträger erhalten ihre Auszeichnungen in ihrer Heimat im kleinen Rahmen überreicht. So erhält beispielsweise Reinhard Genzel seinen Preis in der Bayerischen Staatskanzlei in München.
Alle Veranstaltungen der Nobelpreis-Woche vom 5.-13. Dezember mit Vorträgen und Konzert von Igor Levit lassen sich online verfolgen.
Bilder: Nobel Media - Zeichnungen von Niklas Elmehed, DEPATISnet
Stand: 29.11.2024
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