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Taschenfaltschirm
DE606015A
Kleiner Schirm ganz groß
Der Regenschirm ist eine praktische Erfindung. Noch praktischer ist so ein Schutzdach zum Mitnehmen aber, wenn es so klein zusammenfaltbar ist, dass es in jede Tasche passt. Diese Idee verdanken wir Hans Haupt, der am 26. April 1930 ein Patent auf einen „verkürzbaren Schirm“ anmeldete. „Knirps“ nannte er seinen Taschenschirm und eine GmbH zum Vertrieb des innovativen Produkts.
Über den Erfinder weiß man leider nur wenig. Hans Haupt soll ein aus Breslau stammender Bergassessor a. D. gewesen sein. Es heißt, er sei wegen einer Kriegsverletzung am Stock gegangen und habe deswegen keinen regulären Regenschirm zusätzlich bei sich tragen können. Darum habe er den einsteckbaren Kleinschirm erfunden, der in die Manteltasche passt. Haupt machte jedenfalls eine äußerst praktische Erfindung, die heute noch genauso nützlich ist wie damals. Daher hat "Faltbare Taschenschirm" (1,1 MB) es auch in die DPMA-Galerie der „Meilensteine der Technikgeschichte" geschafft hat.
Der lange Weg zum kurzen Knirps
Wenig bekannt ist, dass das berühmte Patent von 1930 weder Haupts erste noch letzte Schirm-Erfindung war. Tatsächlich hatte er schon jahrelang an Faltschirmen herumgetüftelt. Bereits 1916 hatte er einen „Verkürzbaren Schirm mit fernrohrartig gegliederten Stockteilen“ beim Reichspatentamt angemeldet ( DE347625). Besonderes Merkmal: eine „Verriegelung, die die Stockspitze in ausgezogener Stellung festhält, hierbei unterhalb eines auf der Stockspitze gleitbaren Hülsenkörpers angreift und durch ein Verschieben des Hülsenkörpers ausgelöst wird“. Der wahrscheinlich erste Teleskop-Schirm!
Haupt befasste sich aber nicht nur mit Regenschirmen, sondern machte weitere Erfindungen, die es zur Patentreife brachten, beispielsweise „Krallenverbinder für Treibriemen und Fördergurte“ ( DE335215).
Der nächste Schritt auf dem Weg zum Knirps war die Verbesserung der Faltung des Schirmtuchs. 1919 meldete er einen „Zusammenschiebbaren Schirm“ zum Patent an, dessen „Schirmtuch außer an den beiden Dachstangenenden nur noch am obersten Dachstangenteil, und zwar so weit von der Schirmkrone entfernt befestigt ist, dass es durch das Zusammenschieben der Dachstangenteile in eine einzige Doppelfalte gelegt wird, deren einer Teil den zusammengeschobenen Schirm in seiner ganzen Länge überdeckt“ ( DE34862A).
Schritt für Schritt
Als Haupt 1925 sein nächstes Patent, schlicht „Schirm“ benannt, anmeldete, hatte er bereits den idealen Namen für sein Produkt gefunden: Knirps. Außerdem hatte er inzwischen eine gleichnamige GmbH in Berlin gegründet, die die Anmeldung einreichte. 1928 ließ er die bis heute gültige Marke (398527) eintragen.
„Das Neue besteht nun darin, dass die Griffhülse mit ihrem oberen Rande bis an die oberen Enden der Dachstreben hinaufreicht. Hierdurch wird einerseits erreicht, dass die Streben bei der Schirmverkürzung von den sich bildenden Tuchfalten getrennt werden, so dass eine Beschädigung des gefalteten Schirmtuchs an den scharfkantigen Streben vermieden wird, und andererseits wird erreicht, dass die Streben und Dachstangen auch in der oberen Hälfte des zusammengeschobenen Schirmgestells nicht aufeinanderliegen und infolgedessen der Schirm zum Auseinanderziehen auch am oberen Ende umfasst werden kann, ohne dass hierbei durch den Druck Schirmstangenteile aufeinandergepresst und dadurch beschädigt werden oder das Auseinanderziehen erschwert wird“ ( DE443733).
Schirm mit Charme
Im Jahr darauf meldete die Knirps GmbH eine Weiterentwicklung zum Patent an, „bei dem das Griffrohr an einem etwa kolbenartigen Führungsteil zwischen Streben und Dachstangen einschiebbar ist, gekennzeichnet durch ein mittleres Stockglied, das in ein oberes Stockglied und mit diesem und dem Schirmschieber zusammen in das Griffrohr einschiebbar ist“ ( DE457447).
1928 meldete Haupt erneut einen „Verkürzbaren Schirm“ zum Patent an, diesmal wieder auf eigenen Namen ( DE540712): „Das Neue besteht im Wesentlichen darin, dass das verschiebbare Führungsglied seitlich von den im Stockgliede liegenden Sperrfedern angeordnet ist, um seine Verdrehung und damit auch die des mit ihm verbundenen Griffes zu vermeiden“.
Die nächste Weiterentwicklung meldete Haupt 1929 erneut selbst auf sich selbst an, betraf sie doch „konventionelle“ Regenschirme: „Durch einen federnden Ring sich schließender Schirm“ ( DE507675).
1930 kam dann die Anmeldung, die heute als Geburtsstunde des Knirps angesehen wird: „Verkürzbarer Schirm“, DE60601, angemeldet von der gleichnamigen GmbH mit sieben Patentansprüchen, die sich besonders auf die Hilfsstreben beziehen. „Das Neue“, so heißt es in der Anmeldung, „besteht im Wesentlichen darin, dass die Hilfsstreben mit einem Ende an dem Schirmgestell frei verschiebbar angeordnet sind.“ Erteilt wurde das Patent erst am 23. November 1934.
Innovatives Marketing machte den Knirps zum Kassenschlager
Es dauerte anscheinend eine Weile, bis Haupt einen Hersteller für seine Erfindung fand. Erst Fritz Bremshey, Erbe des gleichnamigen Traditionsunternehmens in Solingen, erkannte das große Potenzial des kleinen Schirms. Er brachte 1932 den ersten Knirps auf den Markt. Zielgruppe waren zunächst nur weibliche Käufer.
Anfänglicher Skepsis der Käuferschaft begegnete Bremshey mit damals innovativen Werbe- und Marketingaktionen, etwa Live-Vorführungen des Knirps in Schaufenstern. Diese Demonstrationen machten das kleine Schirmchen bekannt und allmählich zum Verkaufsschlager.
Nach Kriegsende meldet Haupt seinen „Collapsible umbrella“ u.a. auch in den USA zum Patent an ( US 2725888). Der Knirps wurde weltbekannt. Das brachte natürlich auch Nachahmer mit sich. Für Bremshey wurde der Markt allmählich enger. Um den Knirps deutlicher von der Konkurrenz abzuheben, führte das Solinger Unternehmen 1969 den roten Punkt als Bestandteil des Markenlogos ein.
Corona, Krise und Konkurs
Neben ständigen technischen und optischen Weiterentwicklungen der Faltschirme (z. B. Öffne- und/oder Schließ-Automatik) zählte auch die Anmeldung neuer Marken zu Bremsheys Produktpflege, darunter die – aus momentaner Sicht skurril anmutende – Marke „Knirps Corona“ (725188)!
Dem Preisdruck durch billige Importe aus Fernost konnte Bremshey jedoch auf Dauer nicht standhalten. Anfang der 1980er Jahre ging das Unternehmen in Konkurs. Die Traditionsmarke Knirps landete auf Umwegen schließlich 2005 bei einem österreichischen Unternehmen. Auch nach der Bremshey-Pleite hat Knirps Schutzrechte für weitere Innovationen angemeldet, z. B. DE202008016936U1, EP827701B1 (1,2 MB) oder WO002009138061A3.
Heute bedient der einstige Marktführer nur noch eine kleine Nische im Faltschirmgeschäft, das fast vollständig von asiatischen Billigprodukten dominiert wird. In dieser Nische – nennen wir sie mal „klein & fein“ – scheint sich das Unternehmen aber sehr gut eingerichtet zu haben und bietet erfolgreich diverse Schirmprodukte an. Auch nach über 90 Jahren ist der Knirps jedenfalls noch lange kein (wirtschaftlicher) Greis.
Bis heute wird der gute alte Regenschirm von Erfindern weiter optimiert: es gibt zum Beispiel selbstaufblasende Regenschirme ( DE102006009262A1), Schirme, die in Trekkingstöcke integriert sind ( DE202016000689U1), (angeblich) windfeste Regenschirme ( DE202017001755U1), Regenschirme zum Joggen, die mit einem Hüftgestell getragen werden ( DE202017004804U1) oder erweiterbare Regenschirme, unter die auch eine kinderreiche Familie passen soll ( DE202018100859U1).
Bilder: DEPATISnet, DPMAregister
Stand: 24.09.2024
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