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65 Jahre Dreipunktgurt

Frau mit Gurt, Volvo-Werbung, ca. 1970

Volvo-Werbung, ca. 1970

Der Lebensretter, der sich nur langsam durchsetzte

Diese Erfindung hat zahllosen Menschen das Leben gerettet: Am 29. August 1958 wurde in Schweden der Dreipunktgurt zum Patent angemeldet (siehe pdf-Datei DE1101987B). Nils Ivar Bohlin, Ingenieur beim Autobauer Volvo, brachte damit den damals seit über 50 Jahren bekannten Sicherheitsgurt für Fahrzeuge in seine bis heute gültige Form.

Bohlin (1920-2002) arbeitete ursprünglich als Flugzeugingenieur bei Saab und befasste sich dort mit Schleudersitzen und den entsprechenden Gurten für Piloten, was zu einigen Patenten führte (z.B. Vorrichtung für Flugzeug-Schleudersitze pdf-Datei DE 1022096B). Volvo warb ihn ab, weil er einen für Autos geeigneten Sicherheitsgurt entwickeln sollte.

Bis dahin hatte sich kein Gurtsystem im Autobau durchgesetzt. Das erste Patent auf einen Sicherheitsgurt wurde zwar bereits am 11. Mai 1903 erteilt: Gustave-Désiré Leveau erhielt es in Frankreich für seinen Vierpunktgurt ( pdf-Datei FR 331926 (3,59 MB)).

Schon der erste Sicherheitsgurt rettete Leben

Foto von Nils Ivar Bohlin mit seinem Dreipunktgurt, 1959

Nils Ivar Bohlin mit seinem Dreipunktgurt, 1959

Im Jahr zuvor war mutmaßlich zum ersten Mal ein Sicherheitsgurt in einem Auto zum Einsatz gekommen, und zwar bei der tragischen Rekordversuchsfahrt des „Baker Torpedo“ auf Staten Island nahe New York am 31. Mai 1902: der Rennwagen verunglückte und zwei Zuschauer kamen ums Leben, aber die beiden Fahrer überlebten – dank ihres Sicherheitsgurtes.

Verschiedene Gurtsysteme vom schlichten Zweipunkt-Beckengurt bis zum komplizierten Sechspunktgurt in Rennwagen waren bekannt, als Bohlin seine Erfindung anmeldete. Aber sein Dreipunktgurt, der „sowohl den Oberkörper wie auch den Unterkörper in physiologisch günstiger Weise festhält und leicht an- und abkuppelbar ist“, war ebenso sicher wie einfach zu handhaben. Mit ihm begann eine neue Epoche der Sicherheit im Straßenverkehr. Als erstes Auto mit serienmäßigem Dreipunktgurt kam 1958 der Volvo 544 in Schweden auf den Markt. Schon 1961 verfügten dort mehr als drei Viertel aller neuen Autos über Sicherheitsgurte.

Zögerlicher Beginn einer neuen Epoche der Sicherheit im Straßenverkehr

Zeichnung aus der in den USA ausgestellten Patentschrift US3043625A

Zeichnung aus der in den USA ausgestellten Patentschrift US3043625A

Aus heutiger Sicht ist kaum mehr nachzuvollziehen, warum es trotzdem so lange dauerte, bis das Autofahren mit Gurt hierzulande zur Selbstverständlichkeit wurde. Seit dem 1. Januar 1974 mussten alle neuen Autos in der BRD über Sicherheitsgurte verfügen. Die 1976 eingeführte Gurtpflicht (in der DDR: 1980) wurde aber lange Zeit unzureichend angenommen. Es gab viele Kritiker, die darin eine Einschränkung der persönlichen Freiheit witterten oder aber den Sicherheitseffekt als unzureichend bewiesen ansahen.

Erst als das Fahren ohne Gurt seit dem 1. August 1984 mit einem Bußgeld von 40 Mark geahndet wurde, hatten die Deutschen ein Einsehen: die Anschnallquote stieg von etwa 60 auf über 90 Prozent. Die positive Entwicklung der Verkehrsunfallopferstatistik brachte die Skeptiker bald zum Verstummen.

Zahllose neue Patente rund um die Verkehrssicherheit

Foto aus DVR-Kampagne

Trotz der Kampagnen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats dauerte es lange, bis das Fahren mit Gurt selbstverständlich wurde

Erst zum 1. Juli 2004 wurden Dreipunktgurte auf allen Sitzen im Auto zur Pflicht; bis dahin wurden auf der Rückbank noch Beckengurte geduldet. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis ab 2014 auch die automatische Anschnall-Erinnerung (seat belt reminder) in allen EU-Neuwagen zur Pflicht wurde.

Seit Bohlin in Göteborg seinen Gurt entwickelte, haben weitere wichtige Erfindungen wie der pdf-Datei Airbag (1,1 MB), die pdf-Datei Knautschzone, der Gurtstraffer und der Gurtkraftbegrenzer die Sicherheit im Straßenverkehr noch erheblich weiter verbessert. Aber Bohlins Dreipunktgurt bleibt ein Meilenstein der Verkehrsgeschichte

Dennoch arbeiten die Automobilhersteller bis heute unentwegt an der Verbesserung des Sicherheitsgurtes. Dies belegt die beachtliche Zahl der Patentanmeldungen zu diesem Thema, die beim DPMA eingehen.

Zu den neueren Entwicklungen zählen zum Beispiel ein Konzept, mit dem sich die optimale Position des D-Rings einstellen lässt ( pdf-Datei DE102022121197A1), oder einen Vorspanner, der das Durchrutschen unter dem Gurt noch effektiver verhindern soll ( pdf-Datei DE102022209731A1 (2,85 MB)). Zu den jüngsten Anmeldungen gehört auch eine Idee von Ferrari, wie ein Vier-Punkt-Gurt mittels einer Dämpfung noch sicherer gemacht werden kann ( pdf-Datei EP000004215420A1 (1,4 MB)).

Bilder: Volvo AG Schweiz, Volvo AG Schweiz, DVR

Stand: 09.04.2024