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Achterbahn

"Roller coasting structure“ (US310966A) von LaMarcus A. Thompson, 1885

"Roller coasting structure“ (US310966A) von LaMarcus A. Thompson, 1885

Patentiertes Kreischen und Rasen

Die wilde Sause ist in die Jahre gekommen. Am 20. Januar 1885 wurde eines der ersten Patente für eine Achterbahn erteilt. LaMarcus Adna Thompson, der wohl wichtigste Pionier der Vergnügungsbahnen in den USA, erhielt den Schutz für seine „Roller coasting structure“ ( pdf-Datei US310966A). Thompson hatte im Jahr zuvor im berühmten Vergnügungspark auf Coney Island nahe New York eine „Switchback Railway“ gebaut. Damit begann der bis heute ungebrochene Siegeszug der Achterbahn durch die Vergnügungsparks dieser Welt.

Oft wird Thompsons Patent für das erste Achterbahn-Schutzrechtsdokument gehalten, aber es gab Vorgänger: Bereits 1872 hatte John G. Taylor aus Baltimore ein Patent für seine „Improvements in inclined railways“ erhalten ( pdf-Datei US128674A), eine frühe Berg-und-Tal-Bahn. Es ist jedoch nicht sicher, ob Taylors Bahn jemals gebaut wurde.

Rutschen in den „Russischen Bergen“

Historisches Bild der "Promenades Aeriennes" im Jardin Baujon, Paris (um 1820)

"Promenades Aeriennes" im Jardin Baujon, Paris (um 1820). Stich von Lerouge nach L. Garneray

Es gibt sogar noch ältere Patente: Bereits 1869 hatten Constantine de Bodosco und Pedro de Rivera aus Russland bzw. Spanien ihren „Artifical sliding hill“ in den USA schützen lassen ( pdf-Datei US95095A). Diese Rutschbahn nimmt direkten Bezug auf die Vorläufer der Achterbahnen, die sogenannten „Russischen Berge“. Solche künstlichen Rutschhügel mit Eisschicht wurden im 17. Jahrhundert in St. Petersburg populär – ein winterliches Vergnügen für die Oberschicht. Zarin Katharina die Große soll sie besonders geliebt haben.

Die „Russischen Berge“ wurden bald auch in Europa populär, besonders in Frankreich. Irgendwann muss die Idee aufgekommen sei, die Rutschschlitten mit Rädern auszustatten, um sie ganzjährig nutzen zu können. Um 1812 soll in Paris „Les Montagnes Russes à Belleville“ gebaut worden sein, die vielleicht erste Achterbahn der Welt. Später kam noch die „Promenades Aériennes“ im Jardin Beaujon dazu, die mit Räderwagen und festen Spurschienen ausgestattet war.

Kohlenbahn wird Freizeitvergnügen

"Artificial sliding hill", 1869 (US95095A)

"Artificial sliding hill", 1869 (US95095A)

In Pennsylvania wurde 1827 die Mauch Chunk Switchback Railway gebaut. Sie nutze ein natürliches Gefälle, um Kohle aus einem Bergwerk abzutransportieren; bergauf wurde sie von Maultieren gezogen, später von Dampfmaschinen. Nach ein paar Jahren durften erstmals Passagiere mitfahren. Die 14 Kilometer lange Fahrt wurde schließlich eine beliebte Touristenattraktion, erst recht nach der Schließung der Mine 1872.

Diese schwerkraftgetriebene Bahn inspirierte LaMarcus Thompson zu seiner „Switchback Railway“ und begründete seinen Aufstieg zum „Vater der Achterbahnen“. Er gründete die „L. A. Thompson Scenic Railway Company“, meldete etliche weitere Patente in diesem Bereich an und baute zahlreiche, immer größere und spannendere „Coaster“. Die Geschwindigkeiten waren eher gering, dafür waren die Bahnen mit üppiger künstlicher Szenerie dekoriert und mit Lichteffekten ausgestattet. Auch in Europa baute Thompson seine Bahnen, von denen einige noch erhalten sind, etwa im Tivoli in Kopenhagen oder im englischen Blackpool.

Entscheidende Erfindung

"Improvement in inclined railways" von J.G. Taylor, 1872 (US128674A)

"Improvement in inclined railways" von J.G. Taylor, 1872 (US128674A)

Im Lauf der Jahre entwickelten sich unterschiedliche Typen von „Coastern“, etwa „Flying“, „Inverted“, „Dive“ oder „Stand-up“. Neue Patente trieben den Stand der Technik auch in diesem Bereich voran. Eines der einflussreichsten meldete John A. Miller 1919 an: Hinter dem Titel „Pleasure railway structure“ ( pdf-Datei US1319888) verbirgt sich die grundlegende Technik des „underfriction wheel“, also ein zusätzliches Rad unter der Führungsschiene, das ein Entgleisen unmöglich macht und somit die Sicherheit entscheidend verbessert. Es erlaubte auch wesentlich höhere Geschwindigkeiten und eine ausgefallenere Streckenführung. Bis heute werden praktisch alle Achterbahnen nach diesem Prinzip gebaut.

Höher, schneller, wilder

Detail aus Millers US1319888A mit dem "underfriction wheel"

Detail aus J. A. Millers US1319888A mit dem "underfriction wheel"

Fast von Anfang an ließ man Achterbbahnen spektakuläre Loopings fahren, aber das führte zunächst häufig zu Verletzungen der Halswirbelsäule durch die einwirkenden G-Kräfte. Erst durch die Einführung einer elliptischen Kreisbahn und vor allem dank der Entwicklung des Klothoiden-Loopings durch den Münchner Ingenieur Werner Stengel wurden die Überschläge sicher. Stengel zählt zu den wichtigsten Achterbahn-Ingenieuren der letzten Jahrzehnte, was sich auch in Patenten wie pdf-Datei DE10042597C1 niederschlug.

"Freifall-Turm für eine Achterbahn" von Werner Stengel, 2002 (DE10042597C1)

"Freifall-Turm für eine Achterbahn" von Werner Stengel, 2002 (DE10042597C1)

Nicht zuletzt dank Stengel wurden Achterbahnen immer länger, schneller, steiler und schneller. Bis heute wetteifern die Freizeitparks um die spektakulärsten Bahnen und neue Superlative: höchster (139 Meter), schnellster (240 km/h), steilster (121 Grad) Coaster...

Neuere Anmeldungen wie pdf-Datei DE102013220067A1 oder pdf-Datei US8943976B2 (1,17 MB) treiben das Wettrüsten weiter voran. Grenzen setzen nur der menschliche Körper und seine Belastbarkeit durch die G-Kräfte.

Bilder: DEPATISnet, Public domain via Wikimedia Commons, DEPATISnet

Stand: 09.04.2024