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Heftklammerer
McGills Heftklammerer von 1879 (US 212316A)
Aufstieg und Fall eines einst unentbehrlichen Bürohelfers
Heute widmen wir uns einer vom Aussterben bedrohten Spezies: dem „Klammeraffen“ (also dem Heftklammerer). Konnte man den „Tacker“ mehr als ein Jahrhundert lang in allen Büros und Ämtern dieser Erde in großer Zahl vorfinden, ist sein Lebensraum heute durch die Digitalisierung zunehmend bedroht.
Im DPMA – unter den Bundesbehörden ein Vorreiter bei der elektronischen Datenverarbeitung – werden Schutzrechtsakten bereits seit Jahren vollständig digital bearbeitet. Seit auch die elektronische Rechnungsabwicklung eingeführt wurde, droht dem Heftklammerer endgültig ein Schattendasein im Amt.
McGill, Heyl, Kletzker: Die geistigen Väter des Klammerers
145 Jahre nach seinem Aufkommen droht der Heftklammerer heute seine Herrschaft über die Schreibtische dieser Welt zu verlieren. Als „Geburtsdatum“ des Hefters wird die Erteilung des US-Patents No. 212 316 an George W. McGill am 18. Februar 1879 für sein “Device for Inserting Metallic-Staples in Paper, & c.” ( US212316A) angesehen. Aber wie so oft ist die Entstehungsgeschichte des Heftklammerers auf den zweiten Blick etwas komplexer. Und er hatte mehrere geistige Väter.
Angeblich soll bereits Frankreichs Ludwig XV. Mitte des 18. Jahrhunderts eine Art Papierklammerer für Nadeln mit seinem königlichen Wappen besessen haben, aber das ist nicht hinreichend bewiesen. Sicher ist: Bereits am 30. September 1841 erhielt Samuel Slocum aus Poughkeepsie ein Patent für seine "Machine for sticking pins into paper“ ( US2275A), ein einfaches Gerät zur Papierbefestigung mit Nadeln, das bereits etliche Eigenschaften moderner Heftklammerer aufweist.
Eine amerikanische Erfindung
Erst ein Vierteljahrhundert später erhielt dann der New Yorker George W. McGill das erste von mehreren Patenten, die zu einem bürotauglichen Tacker führten: US 56587, eingetragen am 24. Juli 1866, beschreibt eine biegsame Drahtklammer, den Vorgänger der modernen Heftklammer, und ein Befestigungsgerät („ Improvements in metallic paper-fasteners“). Ein Jahr später, am 13. August 1867, erhielt McGill das Patent für eine „Presse“, mit der sich die Heftklammern in das Papier drücken ließen ( US 67665A, „Press for attaching paper fasteners“).
Gleichzeitig arbeiteten weitere Erfinder an ähnlichen Geräten: Die Novelty Mfg Company soll am 7. August 1866 einen Papierhefter angemeldet haben. Am 3. November 1868 erhielt Albert J. Kletzker aus St. Louis ein Patent für „Improvement in paper-fasteners“ ( US 83640A). Und William J. Brown Jr. ließ am 5. August 1879 sein “Device for inserting and clinching metallic-staples“( US 218227A) patentieren.
Anfangs nur eine Nadel pro Gerät
1876 zeigte McGill seinen Ur-Klammerer auf der Weltausstellung in Philadelphia, verbesserte ihn weiter und erhielt schließlich 1879 das oben erwähnte Patent US 212316A. Das formschöne Gerät wurde der erste kommerziell erfolgreiche Klammerer. Allerdings wog es mehr als ein Kilo und konnte nur jeweils eine einzige Heftklammer befestigen, dann musste nachgeladen werden.
Bereits 1877 hatte aber ein anderer Erfinder ein leichteres und alltagstauglicheres Gerät zum Patent angemeldet: Henry Renno Heyl (1842-1919) aus Philadelphia. Manchen Cineasten und Filmhistorikern ist er als Schöpfer des Phasmatrops ein Begriff. Dieses Gerät konnte eine Abfolge von Standbildern so auf eine Leinwand projizieren, dass sie sich zu bewegen schienen und gilt deshalb als Meilenstein auf dem Weg zur Erfindung des Kinos.
Streit der Entwickler
Heyls Hefter erlaubt es im Gegensatz zu McGills „Device“, die Heftklammer in einem Arbeitsschritt einzusetzen und zu tackern („Improvement in devices for inserting metallic staples“, US 195603A). Manche betrachten daher ihn als den eigentlichen Erfinder des Klammerers.
Es überrascht angesichts der vielen ähnlichen und zeitnahen Patente nicht weiter, dass sich die verschiedenen Erfinder und Hersteller gegen Ende des 19. Jahrhunderts alle gegenseitig verklagten. Die ersten wirklich „modernen“ Heftklammerer kamen erst nach dem 1. Weltkrieg auf den Markt.
Wie heißt der „Klammeraffe“ in Japan?
In Japan nennt man alle Heftklammergeräte „hotchkiss“. Das liegt daran, dass der importierte „No. 1 Stapler“ der Firma E. H. Hotchkiss Co. aus Norwalk das erste Gerät dieser Art auf dem japanischen Markt war. Hotchkiss wurde daher zum Gattungsbegriff. Dieses Gerät verfügte über eine charakteristischen spiralförmigen „Schwanz“ als Klammer-Magazin. Er wurde von James A. Keyes als „Stapling machine“ am 1. Dezember 1896 für die Greenfield Automatic Fastener Co. zum Patent angemeldet ( US 572346A). Diese wurde von der Jones Manufacturing Co. übernommen, die ihn als „Star Paper Fastener“ vermarktete. Hotchkiss übernahm das Unternehmen und machte daraus etwas modifiziert den „Hotchkiss No. 1.“ – ein Welterfolg und vielleicht der erste „moderne“ Klammerer. Die Firma entwickelte ihre Klammergeräte immer weiter und meldete etliche neue Patente an (z.B. US 971130A, US 1480163A).
…und wie in der Schweiz?
In der Schweiz wiederum heißen die Klammerer „Bostitch“. Auch hier wurde ein Firmenname zum Gattungsbegriff. Thomas Briggs hatte 1896 die Boston Wire Stitcher Company in Arlington gegründet, die sich zunächst auf industrielle Heftmaschinen konzentrierte. 1914 stellte das Unternehmen jedoch seine erste "Portable Stapling Machine" ( US 1119093A) vor, eine Erfindung von Arthur H. Maynard. Dieser arbeitete weiter an der Verbesserung und meldete am 10. Juni 1922 eine neue „Stapling Machine“ an ( US 1506073A). Unter dem verkürzten Firmennamen kam dieser 1924 als „Bostitch No. 1“ auf den Markt und verwendete als erster zusammenhängende Bandheftklammern im modernen Stil.
Noch immer wird am Klammern getüftelt
Der „Klammeraffe“, lange Zeit unentbehrlich für Papierkram aller Art, ist heute eine bedrohte Art. Noch ist die Vielfalt der Unterarten bei Heftklammern enorm – es gibt die verschiedensten Ausführungen und Größen, z. B. 24/6, 26/6, 26/8, 23/6, 23/8, 23/10 und 23/13 – aber die elektronische Akte engt ihren Lebensraum immer mehr ein. Und das ist vielleicht auch ganz gut so.
Aber obwohl das Heftgerät eine aussterbende Spezies ist, wird bis heute weiter an seiner Optimierung getüftelt – siehe beispielsweise „Hefter“ ( EP2240301B1) oder das kürzlich erteilte Patent für den „Elektrischen Hefter“ EP3827927B1 (1,6 MB). Denn solange es noch Papier auf den Schreibtischen dieser Welt gibt, solange wird auch noch geklammert!
- Historische und aktuelle Patente können Sie in der DPMA-Datenbank DEPATISnet recherchieren.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DEPATISnet, Mikebartnz Public domain via Wikimedia Commons, Mikebartnz [Public domain] from Wikimedia Commons
Stand: 24.09.2024
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