Inhalt

Vor 75 Jahren: Schraubstollen-Patent für Alexander Salot

Fussballfeld

Salot, Dassler und das Wunder von Bern

Bis heute hält sich hartnäckig eine Fußball-Legende: Adi Dassler habe mit den vom ihm erfundenen Schraubstollen einen entscheidenden Beitrag zum "Wunder von Bern" geleistet. Es stimmt zwar, dass die deutsche Mannschaft unter Trainer Sepp Herberger im Finale der WM 1954 dank wechselbarer Stollen besser für den regennassen Rasen im Wankdorfstadion gerüstet war und sich so einen technischen Vorteil gegenüber den hoch favorisierten Ungarn verschaffen konnte. Nur hat Adi Dassler die Schraubstollen gar nicht erfunden. Vor 75 Jahren, am 30. August 1949, meldete nämlich Alexander Salot ein Patent auf " pdf-Datei Fußballstiefel o.dgl. mit auswechselbaren Gleitschutzstollen" an.

DPMA-Spezial: Fußball und Technik

Erfindungen rund um das runde Leder: Geschichte(n), Innovationen, Meilensteine

Alexander Salot, geboren 1907 in Schönowitz in Oberschlesien, machte eine Schuhmacherlehre. Nach der Gesellenprüfung übersiedelte er nach Blumenthal bei Bremen, wo er Mitbegründer und Fußballspieler des Arbeitersportvereins Neu-Rönnebeck wurde. Schon damals soll ihm die Idee mit den Schraubstollen gekommen sein, weil die seinerzeit üblichen genagelten Stollen die Sohlen der Fußballstiefel sehr schnell verschleißen ließen. Die Meisterprüfung konnte Salot aber erst nach dem Krieg ablegen. 1947 machte er sich als Schuhmacher selbständig. Gleichzeitig übernahm er die sportliche Leitung des Blumenthaler Sportvereins.

Aus dem Gartenhaus in die großen Stadien

Porträt Alexander Salot

Alexander Salot

"Ende der Vierziger hatte er sogar einen Mitarbeiter", externer Link erinnerte sich sein Sohn später, "und ich half nach der Schule aus. Anfangs produzierten wir Schuhe und Stollen in unserer Waschküche, später in einem kleinen Gartenhaus, das ein befreundeter Tischler gebaut hatte. Unser Werkzeug: eine Nähmaschine, eine Ausputzmaschine, Nägel und Pressen."

Für seine Fußballmannschaft entwickelte Salot Schuhe mit wechselbaren Schraubstollen, die außerdem erheblich leichter waren als die damals üblichen Fußballstiefel: Mit rund 350 Gramm wogen sie mindestens 100 Gramm weniger als das damals übliche Schuhwerk. Seit 1947 spielte die Blumenthaler Mannschaft mit diesen modernen Schuhen und wurde prompt dreimal in Folge Bremer Meister.

"Jahrelang hatte sich der aktive Fußballer und Schuhmachermeister mit den Stiefeln seiner Blumenthaler Sportvereins-Kollegen herumgeärgert", berichtete " pdf-Datei Der Spiegel" bereits 1950 über Salots Erfindung. "'Durch das ewige Stollennageln wurden die Sohlen immer brüchiger, und die richtigen Stollen für das nächste Spiel saßen dann doch nicht drunter', schimpft Salot. 'Ein Regenguß, eine Frostnacht - und schon waren ganz andere Platzverhältnisse vorhanden.'"

Wechselstollen für jedes Wetter

Detail aus Salots Patent DE815761B

Detail aus Salots Patent DE815761B

Salot entwickelte eine Leichtmetall-Einlage mit Gewindehülsen, die unter der Laufsohle an propellerartigen Flanschen befestigt waren, versah die Stollen mit einem Gewinde und schraubte den Spielern je nach Platzverhältnissen konische, flache zylindrische, hohe oder niedrige Stollen in die Fußballstiefel ein.

Seine Erfindung meldete Salot am 24. August 1949 bei der "Annahmestelle für Patente Darmstadt" an (das Deutsche Patentamt nahm erst am 1. Oktober seine Arbeit in München auf). Am 9. August 1951 wurde ihm das Patent pdf-Datei DE 815 761B ("Fußballstiefel o.dgl. mit auswechselbaren Gleitschutzstollen") mit Wirkung vom 30. August 1949 erteilt.

Bald gehörten Nationalspieler wie Herbert Burdenski zu seinen Kunden. Um 1950 hoffte Salot, dass in den nächsten Jahren einige englische Klubs und sämtliche westdeutschen Oberligisten mit seinen "Plus-Punkt-Stiefeln" (wie er sie nannte) spielen würden.

Herberger und Herzogenaurach

Details aus Salots Patent DE815761B

Details aus Salots Patent DE815761B

Dass es nicht dazu kam, lag wohl an der übermächtigen Konkurrenz. Die zerstrittenen Brüder Adi und Rudolf Dassler gründeten 1948 in Herzogenaurach jeweils eigene Unternehmen für Sportartikel, die rasch weltweit erfolgreich wurden: Adidas und Puma.

Adi Dassler meldete am 21. November 1952 ein Gebrauchsmuster mit dem sperrigen Titel "Buchse mit durchgehender Gewindebohrung zur Aufnahme von unterhalb der Sohle eines Sportschuhs angebrachten Stollen" ( pdf-Datei DE1737733U) beim Deutschen Patentamt an. Er angelte sich Nationaltrainer Sepp Herberger als Berater für seine Firma, wurde Ausstatter der Nationalmannschaft und konnte später werbewirksam an der Legende stricken, das "Wunder von Bern" sei auch "seiner" Erfindung – dem Schraubstollenschuh – zu verdanken.

Der Schraubstollen hat viele Väter

Im Rückblick ist schwer nachzuvollziehen, warum Alexander Salot, der 1992 starb, nicht versuchte, sein Patent zu verteidigen. Dazu muss aber angemerkt werden: Auch Salot war nicht der erste Erfinder, der auswechselbare Stollen zum Patent anmeldete. Einige Beispiele (weitere finden Sie hier):

  • Bereits 1925 hatte Ludwig Wacker das Patent für eine Sohle erhalten, die mit Lederstreifen beschlagen ist, in denen sich Gewinde zur Aufnahme von einschraubbaren Stollen aus Lederscheiben befinden ( pdf-Datei DE 443 311).

  • 1929 erhielt der Franzose Adrien Morisse ein US-Patent für eine Sohle mit Schraubgewinden für auswechselbare Stollen ("Bottom for football shoes", pdf-Datei US 1797668 A).

  • Venustus Eigler meldete 1930 einen "auswechselbaren Stollen, der aus mehreren Lederscheiben besteht, die auf einer Grundplatte mit Metallstift fixiert sind und bei Verschleiß leicht ersetzt werden können", zum Patent an ( pdf-Datei DE 530 454).

Diese und viele weitere Erfindungen rund um den Ball und ihre Geschichten finden Sie in unserer Extra-Seite Fußball und Technik. Mit Erklärungen, Kommentaren und vielen elektronischen Patentdokumenten beleuchtet sie die Technikgeschichte des Fußballs von den ersten Lederbällen bis hin zum Videoassistenten.

Text: Dr. Jan Björn Potthast, Bilder: iStock.com/xixinxing, via Wikimedia Commons, DEPATISnet

Stand: 24.09.2024