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Johannes Keplers 450. Geburtstag

Porträt Johannes Kepler

Der göttlichen Harmonie des Weltalls auf der Spur

Christen in aller Welt feiern an Weihnachten die Geburt von Jesus von Nazareth. Wann genau diese stattfand, wird seit Jahrhunderten in der Forschung diskutiert. Unumstritten ist dagegen das Geburtsdatum von Johannes Kepler: der 27. Dezember 1571. Der große Astronom versuchte als einer der ersten, mit wissenschaftlichen Methoden das Geburtsjahr Christi zu ermitteln. Laut Kepler muss Jesus vor dem Jahr 4 vor Christus geboren worden sein. Spätere Forscher haben das bestätigt: Man nimmt heute an, dass Jesus zwischen 7 und 4 vor unserer Zeitrechnung zur Welt kam.

Der Evangelist Matthäus berichtet, dass König Herodes alle männlichen Kleinkinder in Bethlehem umbringen ließ, um den laut einer Weissagung kürzlich geborenen „König der Juden“ zu beseitigen. Kepler fand beim römisch-jüdischen Historiker Flavius Josephus die Angabe, dass eine Mondfinsternis stattfand, als Herodes im Sterben lag. Diese glaubte Kepler datieren zu können und folgerte, dass Herodes zwischen dem 13. März und 11. April 4 vor Christus gestorben, Jesus also davor geboren worden sein müsse.

Johannes Keplers Herleitung der Datierung von Jesu Geburt ist heute zwar umstritten, aber seine enorme wissenschaftliche Lebensleistung ist es nicht. Er gilt als (Mit-)Begründer der modernen Astronomie und Naturwissenschaften, auf einer Stufe mit Galilei und Newton.

Schwere Zeiten für Forscher

Kompositbild der Überreste von "Keplers Supernova",

Kompositbild der Überreste von "Keplers Supernova", die er am 9.10.1604 beobachtete - die letzte, die in unserer Milchstraße gesehen wurde

Kepler, der vor 450 Jahren in Weil der Stadt geboren wurde, erkrankte als Kind an den Pocken (heute ausgerottet – dank Impfung!). Er überlebte knapp, aber mit entstellenden Narben an den Händen und geschädigten Augen. Seine Mutter, die das Gasthaus „Sonne“ in Ellmendingen betrieb, zeigte ihm 1577 einen Kometen und 1580 eine Mondfinsternis – seine Begeisterung für Astronomie war geweckt. Stipendien ermöglichten dem mathematisch begabten Jungen den Besuch höherer Schulen (etwa Kloster Maulbronn) und das Theologiestudium an der Universität Tübingen. Dort wurde Kepler überzeugter Anhänger des neuen heliozentrischen Weltbildes nach Kopernikus, das aber damals sowohl die Reformierten als auch die Katholiken ablehnten.

Kepler lebte in einer Zeit der Umbrüche, geprägt von Dreißigjährigem Krieg, Reformation und Gegenreformation. Kanonisiertes Wissen zu hinterfragen, konnte rasch existenz- und lebensbedrohlich werden. Kepler kämpfte ohne Rücksicht auf berufliche Nachteile zeitlebens für das, was er als Wahrheit erkannte.

Mit Horoskopen zur Berühmtheit

"Modulares Infrarot-Kepler-Fernrohr" (DE19647273A1)

"Modulares Infrarot-Kepler-Fernrohr" (DE19647273A1)

1594 nahm er in Graz eine Stelle als „Landschaftsmathematiker“ an. Zu seinen Aufgaben gehörte die Erstellung astrologischer Kalender. Die Horoskope, zu denen er zeitlebens eine zwiespältige Haltung hatte, machten ihn bekannt. 1596 erschien sein erstes Werk zur Astronomie, „Mysterium cosmographicum“.

Kepler war tief gläubiger Protestant und musste daher Graz verlassen, als die Gegenreformation seine Konversion forderte. Er ging nach Prag an den Hof Kaiser Rudolfs II. und wurde Assistent des berühmten Hofastronomen Tycho Brahe. Dieser hatte die damals genauesten astronomischen Daten gesammelt und verfügte über die exaktesten Messinstrumente seiner Zeit. Aber die Zusammenarbeit war konfliktreich.

Der Datenschatz des Tycho Brahe

Als Brahe 1601 überraschend starb, wurde Kepler sein Nachfolger und durfte mit seinen Instrumenten und Daten arbeiten – ein himmlisches Geschenk für den aufstrebenden Wissenschaftler. Brahes Erben kämpften jahrelang erbittert mit ihm um den Datenschatz (es wurden sogar Gerüchte gestreut, Kepler habe etwas mit Brahes Tod zu tun). Brahes Beobachtungen wertete Kepler in seiner „Astronomia nova“ aus, die 1609 erschien – eines der größten Werke der Naturwissenschaft. Darin finden sich Erkenntnisse, die bis heute gültig sind: die ersten beiden Keplerschen Gesetze der Planetenbewegung.

Galilei und Sci-Fi

Frontispiz der "Tabulae Rudolphinae", gestochen von Georg Koeler

Frontispiz der "Tabulae Rudolphinae", gestochen von Georg Koeler

Als Kepler erfuhr, dass Galileo Galilei mithilfe eines Fernrohres die Mondoberfläche und die Jupitermonde beobachtet hatte, setzte er sich intensiv mit der Optik auseinander. Er entwickelte ein astronomisches Teleskop, das später nach ihm benannt wurde. Bis heute beziehen sich Patenanmeldungen darauf, z.B. „Modulares Infrarot-Kepler-Fernrohr“ ( pdf-Datei DE19647273A1) oder „In Form eines Kepler-Teleskops ausgebildetes optisches Suchersystem für eine einäugige Spiegelreflexkamera“ ( pdf-Datei DE2804462A1); zuletzt „Compact-structure Kepler optical system“ ( pdf-Datei CN04597600A) und „Sensor network and service combination method and device based on Kepler scientific workflow“ ( pdf-Datei CN04660697A).

Kepler veröffentlichte grundlegende Werke zur Optik (u.a. „Dioptrice“). Er unterstützte damit Galileis Arbeit, der ihm daraufhin schrieb: „Ich danke Ihnen – weil Sie der Einzige sind, der mir Glauben schenkt.“

Kepler prophezeite Galilei: „Man schaffe Schiffe und Segel, die sich für die Himmelsluft eignen. Dann wird es auch Menschen geben, die vor der öden Weite des Raumes nicht zurückschrecken werden.“ In dieser Zeit schrieb Kepler die Erzählung „Somnium“ (Traum), die eine Reise zum Mond schildert und als einer der ersten Science-fiction-Texte bezeichnet werden darf.

Auf der Suche nach der kosmischen Harmonie

Ölpumpe, basierend auf Keplers Zahnradpumpe  (DE102019200014A1)

Ölpumpe, basierend auf Keplers Zahnradpumpe (DE102019200014A1)

Kepler stand auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn, als nach seiner Frau und seinem Sohn auch Kaiser Rudolph 1612 starb. Der neue Kaiser Matthias bestätigte zwar Kepler Position als kaiserlichen Mathematiker, legte ihm aber die Übersiedlung nach Linz nahe, wo er wieder als Landschaftsmathematiker arbeiten und die noch mit Brahe begonnenen „Rudolphinischen Tafeln“ mit Daten zu den Planetenlaufbahnen vollenden sollte.

In Linz arbeitet Kepler an einem „harmonischen“ Modell des Universums und erarbeitete sich dafür die theoretischen Grundlagen der Musik. 1619 veröffentlichte er seine fünfbändige „Weltharmonik“ („Harmonices mundi“) mit seinem dritten Gesetz der Planetenbewegung.

Keplers Pumpe

Außerdem beschäftigte er sich mit dem mathematischen Problem der Berechnung des Rauminhalts von Weinfässern (Keplersche Fassregel). Nebenbei machte Kepler auch Erfindungen, darunter eine, die ihm – hätte es damals bereits so etwas wie Patente gegeben – sicherlich die ein oder andere Lizenzeinnahme beschert hätte: eine ventillose Zahnradpumpe. Ein Bergwerksbesitzer brauchte ein Gerät, um Wasser aus seiner Mine abzupumpen. Kepler erfand für ihn eine weitgehend wartungsfreie Pumpe, deren Prinzip bis heute etwa bei den Ölpumpen in Automotoren angewendet wird, siehe pdf-Datei DE102019200014A1 oder pdf-Datei DE102020117895A1.

Kampf mit Fanatikern

Titelblatt von Keplers "Astronomia nova"

Titelblatt von Keplers "Astronomia nova"

Um zu verstehen, in welchem geistigen Klima Kepler arbeiten musste, sei berichtet, dass seine heilpflanzenkundige Mutter 1615 der Hexerei beschuldigt wurde. Man zeigte ihr die Folterwerkzeuge, um sie zu einem Geständnis zu bringen. Sechs lange Jahre kämpfte Kepler für sie und verteidigte sie persönlich vor der Inquisition. Schließlich wurde Katharina Kepler freigelassen, lebte aber infolge der schlimmen Haftbedingungen nicht mehr lange.

In Linz geriet Kepler, der sich mit seinen „neumodischen“ Ansichten über das Universum nicht nur die Gegenreformation, sondern auch viele Protestanten zum Feind gemacht hatte, immer mehr unter Druck. Mit seiner zweiten Frau und den Kindern ging er nach Ulm, wo dann 1627 endlich die „Rudolphinischen Tafeln“ erschienen.

Auch finanziell wurde seine Situation immer schwieriger. Ausstehende Honorare des Kaiserhofes versuchten selbst noch seine Enkel vergeblich einzutreiben. In dieser Situation wurde Albrecht von Wallenstein sein Gönner. Kepler hatte für den Feldherrn schon früher Horoskope erstellt. Jetzt holte Wallenstein ihn nach Sagan in Schlesien und bot ihm eine Professur in Rostock an. Aber am 15. November 1630 starb Kepler auf einer Reise in Regensburg.

Zeitlebens strebte er danach, Glauben und Wissenschaft in Einklang zu bringen: „Ich glaube, dass die Ursachen für die meisten Dinge in der Welt aus der Liebe Gottes zu den Menschen hergeleitet werden können.“ Das passt doch perfekt in die Weihnachtszeit!

Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Public domain / via Wikimedia Commons, NASA ESA JHU R. Sanskrit und W. Blair / Public domain via Wikimedia Commons, DEPATISnet, Public domain / via Wikimedia Commons, DEPATISnet, Public domain via Wikimedia Commons

Stand: 05.03.2024