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200. Geburtstag von Gustav Robert Kirchhoff
Sonnengold und Schwarze Körper
Gustav Robert Kirchhoff, der am 12. März 1824 in Königsberg geboren wurde, ist vielleicht nicht der bekannteste deutsche Physiker, aber sicherlich einer der einflussreichsten. Wirkmächtig sind vor allem seine Gesetze und Schriften zur Elektrotechnik. Aber er gilt auch als Begründer der theoretischen Physik sowie als Vater der Spektralanalyse, des nach ihm benannten Strahlungsgesetzes und des „Schwarzen Körpers“.
Kirchhoff war an der Universität ein „Überflieger“, wie man heute sagen würde: Schon als junger Student in Königsberg formulierte er elektrotechnische Gesetze, die später nach ihm benannt wurden. Sie beschreiben die Zusammenhänge zwischen Strömen, Spannungen und Widerständen in verzweigten Stromkreisen. Einer seiner Professoren war der Mathematiker Friedrich Julius Richelot, dessen Tochter Clara er später heiratete. 1847 wurde Kirchhoff an der Albertus-Universität promoviert. Er wechselte nach Berlin und habilitierte sich dort schon ein Jahr später.
1850 erhielt er seinen ersten Ruf, und zwar als außerordentlicher Professor nach Breslau, wo er Experimentalphysik lehrte. Dort kam es zu einer entscheidenden Begegnung: Er lernte Robert Wilhelm Bunsen kennen (auch wer mit Naturwissenschaften nicht viel am Hut hat, erinnert sich wohl zumindest an den Bunsen-Brenner aus dem Chemie-Unterricht…). Damit begann eine lebenslange Freundschaft und äußerst fruchtbare Arbeitsbeziehung.
Physikalisches „Dreamteam“
Als Bunsen nach Heidelberg berufen wurde, erreichte er, dass auch Kirchhoff dort eine Professur angeboten bekam. 21 Jahre lange lebte und wirkte Kirchhoff in Heidelberg. In dieser Zeit gelangen ihm seine größten wissenschaftlichen Erfolge. Er wurde zu einem der bedeutendsten Physiker seiner Zeit; seine Vorlesungen zur experimentellen und theoretischen Physik waren berühmt und viel besucht. Kirchhoff wurde Mitglied so ziemlich aller bedeutenden wissenschaftlichen Gesellschaften in Europa.
Im Heidelberger Stadtpalais „Haus zum Riesen“ forschten Bunsen und Kirchhoff zur Emission und Absorption des Lichtes. Bunsen versuchte, mit Hilfe verschiedener Salze Flammen unterschiedlich zu färben und dadurch Elemente zu identifizieren. Kirchhoff schlug vor, das Licht spektral zu zerlegen. Es gelang ihnen – zunächst mithilfe eines Provisoriums aus zwei Fernrohren und einem drehbaren Prisma – der Nachweis, dass leuchtende Stoffe mittels der von ihnen emittierten Spektrallinien identifiziert werden können.
Cäsium aus Mineralwasser
Diese Spektralanalyse sollte beide unsterblich machen. 1859 stellte Kirchhoff seine Strahlungsgesetze auf, die besonders in der Astronomie große Bedeutung erlangten. Die wissenschaftlichen Grundlagen der Spektralanalyse veröffentlichten beide gemeinsam 1860 ("Chemische Analyse durch Spektralbeobachtungen").
Innerhalb kürzester Zeit entdeckten andere Chemiker durch Anwendung der Spektralanalyse zehn neue Elemente. Bunsen und Kirchhoff identifizierten Cäsium (1860) und Rubidium (1861). Beides fanden sie bei der Analyse des Mineralwassers aus der „Maxquelle“ in Bad Dürkheim.
Gold aus der Sonne
Ihren provisorischen Spektralapparat ersetzen sie bald durch ein großes Fraunhofersches Flintglasprisma, das sie aus München bekamen. Die Auseinandersetzung mit den „Fraunhoferschen Linien“ führte zu weiteren Erkenntnissen: Die Übereinstimmung der Wellenlängen der Fraunhoferlinien mit Emissionslinien bekannter chemischer Elemente ermöglichte die Analyse der Materie der Gestirne. Die Spektralbeobachtung bewies, dass die Sterne aus den gleichen Elementen bestehen wie die Erde. Auch das Spektrum der Sonne analysierte Kirchhoff: Er erkannte, dass die Sonne ein flüssiger Feuerball mit festglühendem Kern ist.
„Schauen Sie, ich habe es geschafft, mir Gold von der Sonne zu holen“, soll Kirchhoff zu seinem Bankier gesagt und mit seiner Rumford-Medaille gewedelt haben, die er samt üppigem Preisgeld für die Analyse des Sonnenspektrums erhalten hatte. Der Bankier hatte zuvor bezweifelt, dass es gewinnbringend sei, Gold auf der Sonne zu erforschen.
Schwarze Körper und Quanten
Kirchhoff gehört zu den Begründern der Astrophysik. Das Spektrometer wurde neben dem Fernrohr zu ihrem wichtigsten Instrument. Die Spektralanalyse entwickelte sich zur Grundlage der Atom- und Molekül-Theorie und letztlich auch der Quantenphysik. Denn Kirchhoff war bestrebt, die Emissionskurve des von ihm definierten "Schwarzen Körpers" als eine Funktion von Wellenlänge und Temperatur zu finden. Diese Entwicklungsrichtung führte schließlich zur Planckschen Quantenhypothese. Kirchhoff ist also einer ihrer Wegbereiter.
Aber Kirchhoff war auch auf den Gebieten Elektrizitätslehre, Elastizität, Wärmetheorie, Wärmeleitung und Akustik tätig. Es gab eigentlich kaum ein Gebiet der klassischen Physik, zu dem er nicht Beiträge lieferte. So beschäftigte er sich mit Fernwirkungselektrodynamik, stellte eine "Telegrafengleichung" auf, die von einer Ausbreitung elektrischer Wellen mit Lichtgeschwindigkeit ausgeht, und schuf eine Theorie der elektrischen Schwingungen. 1877 forschte er zu Bewegungsgleichungen in Telegrafenkabeln, womit er den globalen Ausbau der unterirdischen oder submarinen Kabelnetze wissenschaftlich untermauerte.
Als er aufgrund von gesundheitlichen Problemen nicht mehr experimentieren konnte, widmete er sich der theoretischen Physik und nahm 1874 doch noch den zuvor mehrfach abgelehnten Ruf nach Berlin an. Aber es fiel ihm körperlich immer schwerer, dort seine beliebten Vorlesungen zu halten. Schließlich musste er sich vom Lehrbetrieb zurückziehen und starb nach längerer Krankheit am 17. Oktober 1887 in Berlin.
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: Public domain via Wikimedia Commons, Poul la Cour und Jacob Appel, Public domain via Wikimedia Commons, CC by SA 4.0 via Wikimedia Commons
Stand: 11.09.2024
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