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Alois Senefelder
Fast jeder Autor hat am Anfang seiner Karriere Schwierigkeiten mit seinem Verlag (wenn er überhaupt einen findet). Im Fall von Alois Senefelder erwuchs daraus eine epochale Erfindung. Weil der Nachwuchsdramatiker beschlossen hatte, Satz und Druck seiner Theaterstücke lieber selbst in die Hand zu nehmen, erfand er ein neues Verfahren: die Lithografie.
Alois Senefelder, der am 6. November 1771 in Prag geboren wurde, war der Sohn eines Münchner Schauspielers. Trotzdem (oder gerade deshalb) drang sein Vater darauf, dass er Jura studierte. Das Studium in Ingolstadt brach Senefelder sofort ab, als der Vater starb, und arbeitete als Schauspieler, Requisiteur und Bühnenautor. Der Ärger über die Probleme bei der Drucklegung seines zweiten Stückes brachte ihn dazu, selbst mit Druckverfahren zu experimentieren.
Hoch- und Tiefdruck waren bekannt; Senefelder entdeckte aber 1796 in München einen dritten Weg. Nach vielen Experimenten testete er eine selbstentwickelte Tinte aus Wachs, Talg, Seife, Kiefernruß und Wasser auf einer glatt polierten Solnhofener Kalksteinplatte. Die hatte er zur Hand, weil mit diesen Kalkschieferplatten in München damals gerne die Hausflure ausgelegt wurden. Er bemerkte, dass die Oberfläche des Steins, die nicht mit seiner Wachstinte bedeckt war, sich mit Salpetersäure wegätzen ließ. Die nunmehr hochgeätzte Fläche ließ sich mit einer Buchdruckerkugel schwärzen und drucken.
Der Steinschreiber
Senefelder entwickelte aus dieser Entdeckung das Verfahren der „Steinschreiberei“ (griechisch: Lithographie): Auf einen glatten Stein wird mit fetthaltiger Farbe ein seitenverkehrtes Druckmotiv aufgebracht. Danach wird der Stein mit einer wässrigen Lösung nass gemacht. Fett und Wasser auf dem Stein stoßen einander ab, nur am wasserabweisenden Druckmotiv bleibt eine anschließend aufgebrachte Farbe haften. Dieses lässt sich auf Papier oder Karton pressen.
Bei diesem revolutionär vereinfachten flachen Druckverfahren liegen druckende und nichtdruckende Teile also auf einer Ebene, unterscheiden sich aber in ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften. Daher nannte Senefelder sein Verfahren „chemische Druckerei“ oder Steindruckerei.
Kurfürstliches Patent
Das neue Verfahren eignete sich besonders für die Reproduktion von Zeichnungen, Karten und Noten. Es war wesentlich einfacher und damit auch deutlich günstiger als die bis dahin üblichen Kupferstiche oder Holzschnitte.
1799 erhielt Senefelder vom bayerischen Kurfürsten ein „Privilegium exclusivum“ für 15 Jahre, praktisch ein Patent, für seine „neu erfundene, bisher noch ganz unbekannte Art auf Stein zu drucken“. Allerdings steckten die gewerblichen Schutzrechte damals noch in den Kinderschuhen und ließen sich in der Praxis schwer durchsetzen, wie Senefelder bald erfahren musste.
Gemeinsam mit seinem Freund und Förderer, dem Komponisten und Hofmusiker Franz Gleißner, gründete er die „Königliche alleinprivilegirte Steindruckerey von Aloys Senefelder, Franz Gleißner & Comp. in München“.
Startschuss mit Mozart
Noch 1799 verkaufte Senefelder sein „Geheimnis, Noten und Bilder auf Stein zu drucken“ an den Musikalien-Verleger Johann Anton André in Offenbach. Dort entstand unter seiner und Gleißners Mitarbeit im Jahr 1800 die erste Steindruckerei. André war seinerzeit die erste Adresse für Notendruck. Kurz vor seinem Tod hatte sogar Mozart ihn in Offenbach besucht; später kaufte André dessen Witwe Constanze den gesamten musikalischen Nachlass ab. Als Mitarbeiter Andrés erstellte Gleißner das allererste Verzeichnis von Mozarts Werken (nach Gattungen, nicht zeitlich sortiert). Mozarts Klavierkonzerte waren die ersten lithografischen Drucke, die André herausbrachte.
Senefelder bemühte sich in den folgenden Jahren, teils in Zusammenarbeit, teils in Konkurrenz zu André und seinen eigenen Brüdern, Steindruckereien auch in England, Frankreich und Österreich zu gründen. Er musste dabei feststellen, dass sein bayerisches „Privileg“ außerhalb der Landesgrenzen wenig nutzte. Selbst in München wurde sein Patent durch die Gründung einer „Lithographischen Kunstanstalt“ und von der Steuerkatasterkommission verletzt. Letztere hatte entdeckt, wie wunderbar der Steindruck sich für Landkarten eignete. Als eine Art Entschädigung wurde Senefelder 1809 als Inspektor bei der Steuerkatasterkommission angestellt.
Ein Erfolgsrezept
Aber nicht nur die Landesvermesser griffen das neue Druckverfahren begeistert auf, sondern auch die Künstler: Kritische Geister wie Honoré Daumier nutzten die Technik zur Verbreitung politischer Karikaturen. Komponisten konnten ihre Werke endlich günstig vervielfältigen. Briefmarken, Banknoten, Flugblätter oder Zeitungen ließen sich preiswert herstellen. Druckerzeugnisse jeglicher Art erreichten jetzt schnell und günstig die breite Masse – eine wesentliche Voraussetzung für die revolutionären Bewegungen im „Vormärz“ und danach.
Alois Senefelder, der in München am Sendlinger-Tor-Platz 5 lebte, blieb bis an sein Lebensende (1834) erfinderisch aktiv und verbesserte sein Druckverfahren weiter. Er ersetzte die Steine durch Metallplatten und erhielt dafür 1818 erneut ein „Privilegium“ vom (zwischenzeitlich zum König aufgewerteten) bayerischen Herrscher. Damit legte er zugleich die Grundlage für die weitere Entwicklung zum Offsetdruck, der im 20. Jahrhundert die Lithografie weitgehend ablöste. Heute spielt sie hauptsächlich noch eine Rolle in der Kunstgrafik.
Bis heute werden lithographische Verfahren aber verbessert und erweitert, wie neue Patentanmeldungen zeigen (siehe z.B. DE102020208416A1 „Mess-Beleuchtungsoptik für die EUV-Lithografie“ oder DE102020107358A1 „Negativton-Fotoresist für EUV-Lithografie“).
1818 veröffentlichte Senefelder ein „Vollständiges Lehrbuch der Steindruckerey“. 1826 gelang ihm der Farbdruck und 1833 der Nachdruck von Ölgemälden auf Leinwand. Er erhielt zahlreiche internationale Ehrungen und durfte erleben, wie sich seine Erfindung – und mit ihr sein Name – um die Welt verbreitete. Alois Senefelder starb am 26. Februar 1834 in München.
Bilder: Franz Hanfstaengl/Public domain via Wikimedia Commons, via Wikimedia Commons, DEPATISnet
Stand: 11.09.2024
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