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Wilhelm Bauer
GB 590 (1860)
Vor 170 Jahren: Patent auf das erste deutsche U-Boot
Weit weg vom Meer liegt die Heimat des ersten deutschen U-Boot-Bauers: In Dillingen an der Donau kam Wilhelm Bauer zur Welt. Er baute nicht nur das älteste noch erhaltene Unterseeboot der Welt, den „Brandtaucher“, sondern war auch ein Pionier der Wrackbergung.
Sebastian Wilhelm Valentin Bauer, dessen 200. Geburtstag nicht lange zurückliegt (22. Dezember 1822), war ein gelernter Drechsler, dem das Erfinden im Blut lag. 1849 nahm er als Soldat des bayrischen Hilfskorps am Schleswig-Holsteinischen Krieg teil. Dort kam er auf die Idee, eine Waffe zu erfinden, die unter der Meeresoberfläche angreifen konnte.
Sagenumwobene Vorgänger
Unterseeboote waren keine neue Idee. Zu seinen Vorgängern zählte etwa das „Fahrende Tauchboot“, das Cornelis Jacobszoon Drebbel 1626 dem englischen König Charles I. vorstellte. Es soll funktioniert haben, aber wir wissen heute nur wenig über diese Konstruktion. Der deutsche Ingenieur Jakob Chrysostomus Praetorius entwarf 1762 den „Steinhuder Hecht“, der im Steinhuder Meer getaucht sein soll. Der „Hecht“ wäre somit das erste deutsche U-Boot gewesen, aber die Quellenlage ist unsicher – und das Steinhuder Meer nicht tief genug zum Tauchen…
Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wurde die „Turtle“ von David Bushnell 1776 erfolglos gegen ein englisches Schiff eingesetzt. Anders als die meisten Vorgänger besaß sie einen echten Unterwasserantrieb und wurde per Handkurbel über Schrauben bewegt. Und für die „Nautilus“, die der Amerikaner Robert Fulton 1801 konstruierte, soll sich sogar Napoleon interessiert haben.
Der Seehund als Vorbild
Wieviel Wilhelm Bauer von diesen Vorgängern wissen konnte, ist unklar. Er ging jedenfalls seinen eigenen Weg und studierte in Jütland die natürlichen Bewegungsabläufe des Seehundes, den er sich als Vorbild für seine Konstruktion nahm. Tatsächlich ähnelte die Form seines Bootes einem gemästeten Walross, daher wurde es auch „Eiserner Seehund“ genannt.
Daheim in Bayern stellte Bauer seine Idee einer Militärkommission vor, aber die hatte kein Interesse (mangels Meer?). Also ging er wieder in den Norden, trat in die schleswig-holsteinische Armee ein und überzeugte das Marineministerium von seinen Plänen. Sein Demonstrationsmodell vernichtete Bauer anschließend – er hatte Angst vor Nachahmern, denn es gab eben damals noch kein deutsches Patentamt für den Schutz von Erfindungen. Bauer wurde nach Kiel kommandiert, um sein U-Boot zu bauen, erhielt aber keine ausreichende finanzielle Unterstützung. Er musste zusätzliche Drittmittel auftreiben.
Fataler Sparzwang
Zusammen mit dem Ingenieur August Howaldt von der Maschinenfabrik und Eisengießerei Schweffel & Howaldt ging er an die Arbeit. Aber der Geldmangel verurteilte den „Brandtaucher“ praktisch von Anfang an zum Scheitern. Um Kosten zu sparen, mussten Bauer und Howaldt unter anderem die Wandstärke des Rumpfes halbieren, den Abstand der Spanten vergrößern und statt der geplanten Trimm- und Ballasttanks ein verschiebbares Gewicht aus Gusseisen zur Stabilisierung einbauen.
Der „Brandtaucher“ hatte eine Besatzung von drei Mann. Die Antriebsschraube wurde durch zwei mannshohe Treträder angetrieben. Auch die Schwengelpumpen, mit denen das Ballastwasser direkt in die Bilge des Rumpfes eingelassen und abgepumpt wurde, waren handbetrieben.
Ihren Namen erhielt die Konstruktion, weil mit ihr eine etwa 50 Kilo schwere Brandbombe oder Haftladung an feindlichen Schiffen angebracht werden sollte. Dafür hatte der Rumpf kleine Fenster und zwei Löcher mit integrierten Gummihandschuhen, mit denen die Bombe angebracht werden sollte (der erste Torpedo wurde erst 1865 Robert Whitehead und Giovanni Luppis entwickelt).
Desaster in der Förde
Erste Schwimmtests verliefen erfolgreich, dann aber sank das Boot wegen eines Bedienungsfehler. Es wurde gehoben und wieder flott für eine ernsthafte Erprobung gemacht. Gemeinsam mit dem Zimmermann Friedrich Witt und dem Schmied Wilhelm Thomsen unternahm Wilhelm Bauer am 1. Februar 1851 die erste (und letzte) Testfahrt mit dem „Brandtaucher“ im Kieler Hafen.
Die ersten Minuten verliefen gut, aber als Bauer die tiefste Stelle des Hafenbeckens ansteuerte, um dort zu tauchen, zeigten sich die Folgen des Sparzwangs: Wasser drang ein, das Ballastgewicht verrutschte, der Tauchvorgang geriet außer Kontrolle. Das Boot sank mit dem Heck voran auf den Grund der Kieler Förde.
In etwa 15 Metern Tiefe behielten Bauer und seine Mitstreiter die Nerven. Sie warteten stundenlang, bis genug Wasser ins Boot eingedrungen und der Druck ausgeglichen war, um das Öffnen der Luken zu ermöglichen. Als die Helfer und Zuschauer am Ufer längst jede Hoffnung aufgegeben hatten, stiegen die drei Tauchpioniere aus dem Wrack und schossen an die Wasseroberfläche.
Das erste echte deutsche Unterseeboot schien verloren. Bauer baute 1852 zu Werbezwecken ein neues Modell, das heute im Deutschen Museum in München direkt neben dem DPMA zu sehen ist. Jahre später wurde der „Brandtaucher“ zufällig beim Ausbaggern des Kieler Hafenbeckens entdeckt und 1887 gehoben. Er befindet sich heute im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden.
Patente in London
Bauer zog seine Lehren aus dem Unglück, gab nicht auf und versuchte, royale Unterstützung für seine Ideen zu erhalten. Auf Einladung von Albert, dem Gemahl von Queen Victoria, ging er nach London. Im Vereinigten Königreich gab es im Gegensatz zu den deutschen Ländern längst ein funktionierendes System des gewerblichen Rechtsschutzes. Wilhelm Bauer wusste das zu nutzen und meldete seine Erfindungen ab sofort beim englischen Patentamt an. Als erstes reichte er vor 170 Jahren, am 25. Mai 1853, das Patent GB1281 (1853) ein: „Vessel to be used chiefly under water, and apparatus for propelling, balancing and steering the same“. Dabei handelt es sich im Prinzip um eine knappe Beschreibung des „Brandtauchers“.
In London entwarf Bauer ein neues Tauchboot. Aber es gab rechtliche Unstimmigkeiten bei den Planungen zum Bau. Bauer drohte daraufhin, seine Erfindung Russland anzubieten. Das brachte ihm gewaltigen Ärger ein, denn beide Länder kämpften gerade im Krimkrieg gegeneinander. Fluchtartig musste Bauer England verlassen. Die Londoner Werft baute daraufhin ohne ihn ein U-Boot. Es soll bei der Probefahrt mit Mann und Maus gesunken sein.
U-Boot für Russland
Bauer ging nun folgerichtig nach Russland, wo er mit offenen Armen empfangen wurde. Sein neues U-Boot hieß „Le Diable de Marin“ („Seeteufel“) und wurde 1855 in Sankt Petersburg gebaut.
Diese Konstruktion wurde ein Erfolg. Diesmal wurde nicht am Material gespart. Zwar wurde der „Seeteufel“ immer noch mit Muskelkraft betrieben (von 12 Matrosen), aber er hatte eine solide dicke Eisenhülle, war doppelt so groß wie der „Brandtaucher“, konnte selbständig sinken und steigen und besaß eine Tauchkammer zum Ausstieg unter Wasser. Nach der ersten Erprobung im Marinehafen Kronstadt soll der „Seeteufel“ 133 Tauchfahrten erfolgreich absolviert haben, ehe er (wohl auf Grund eines Bedienungsfehlers) sank. Es heißt, die Besatzung wurde gerettet und das Boot gehoben, aber was aus ihm wurde, ist unbekannt.
Mit Ballons gesunkene Schiffe bergen
Der Zar ernannte Bauer zum Kaiserlichen Submarine-Ingenieur und beauftragte ihn mit der Bergung eines gesunkenen Kriegsschiffes. Dieser Auftrag schlug sich in zwei Erfindungen nieder, die Bauer 1860 in England zum Patent anmeldete: GB590 (20,86 MB), „Apparatus for diving, and raising and lowering heavy bodies“, und GB1716, „Diving bell“. Die detailreichen Zeichnungen der Patentschrift GB590 geben einen faszinierenden Einblick in seine technischen Ideen.
Bauer entwarf zur Hebung von Schiffen unter anderem eine Tauchkammer, die bis 500 Fuß Tiefe verwendbar war, und ein Bergungssystem mithilfe von Ballons. Aber wieder geriet Bauer in Streit mit der Obrigkeit. 1858 verließ er Russland und kehrte nach München zurück.
Die Hebung der „Ludwig“
Einige Jahre später sollte er sein Bergungssystem in der Praxis testen können, und zwar am Bodensee. Dort war am 11. März 1861 die „Ludwig“ gesunken. Sie war der erste Dampfer aus Eisen auf dem See gewesen, gebaut 1837 in Manchester und in Einzelteilen nach Lindau zur Endmontage transportiert. Diese „Ludwig“ war im Sturm mit der „Stadt Zürich“ kollidiert. Das Unglück mit 13 Toten führte übrigens zur Einführung der bis heute üblichen internationalen Positionslaternenordnung für Schiffe – weißes Topplicht, grüne Lampe an Steuerbord, rote an Backbord.
Wilhelm Bauer gelang es mit seinem Ballonsystem 1863, die „Ludwig“ aus 11 Metern Tiefe zu heben. Sie wurde wieder flottgemacht, ging unter neuem Namen auf Fahrt, sank später erneut in einem Sturm, wurde nochmal gehoben und irgendwann verschrottet.
Die Entstehung einer gefährlichen Waffe
Die Entwicklung von Unterseebooten nahm zu dem Zeitpunkt weltweit Fahrt auf. 1864 versenkte im amerikanischen Bürgerkrieg die „CSS H. L. Hunley“ als erstes U-Boot ein feindliches Schiff im Kampfeinsatz (und sank dabei selbst). Unterseeboote wurden langsam zu jener gefährlichen Waffe, die sie bis heute sind.
Trotz des spektakulären Erfolges mit der Hebung der „Ludwig“ nahm Bauers Karriere nicht mehr richtig Fahrt auf. Kurzzeitig trat er in preußische Dienste, kehrte aber doch wieder nach Bayern zurück und experimentierte weiter. So führte er beispielsweise am Starnberger See Unterwasser-Schießversuche durch und entwickelte Geräte zur Verlegung von Kabeln unter Wasser.
Gesundheitliche Probleme und Schicksalsschläge überschatteten seine letzten Jahre. Am 20. Juni 1875 starb der weitgereiste Ingenieur und U-Boot-Pionier in München.
Nochmal GB590 (1860)
Text: Dr. Jan Björn Potthast; Bilder: DEPATISnet / Archiv DPMA, Unbekannter Autor / Public domain via Wikimedia Ccommons, Pudelek CC by SA 3.0 via Wikimedia Commons, Unbekannter Autor / Public domain via Wikimedia Commons Bildquelle Deutsches Museum, via Wikimedia Commons
Stand: 11.09.2024
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