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Vortrag im DPMA
Der BGH und das Patentrecht: Wie der Senat urteilt – und warum
So denkt die letzte Instanz: Die Patentprüferinnen und -prüfer des DPMA bekamen kürzlich wertvolle Einblicke aus erster Hand. Dr. Hermann Deichfuß, Stellvertretender Vorsitzender des Senats für Patentanwaltssachen, sprach im DPMAforum über die „Aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Patentrecht“.
Deichfuß ist (nach Stationen am Landgericht Mannheim und Oberlandesgericht Karlsruhe) bereits seit 2013 als Richter am BGH tätig. Er ist außerdem Schriftleiter der Fachzeitschrift „GRUR Patent“. Sein lebendiger Vortrag am 11. Dezember 2024 vor „vollem Haus“ war für die Prüferinnen und Prüfer höchst aufschlussreich und wertvoll, um ein Gespür für die Arbeits- und Denkweise des Patent-Senats des höchsten Gerichts zu bekommen.
Auslegung und Erfindungshöhe
Deichfuß begann mit Beispielen aus der Praxis der Auslegung. Eine Kernbotschaft: Neben den Patentansprüchen sind auch die Beschreibungen aus Sicht des BGH immer bei der Entscheidung zu berücksichtigen (scheinbar gibt es mancherorts eine leicht differierende Praxis).
So ging es zum Beispiel bei einem Streit um einen Staubsauger um die Frage, wann ein Bauteil als „einstückig“ gilt. Das betreffende Bauteil bestand aus drei Komponenten; es ging hier aber um die Art der Verbindung der Einzelteile, etwa durch Kraftschluss, Formschluss oder Stoffschluss, „z.B. Kleben oder Schweißen“, worin der BGH aber „keine mechanische Kopplung“ im Sinne der Anmeldung sah (Urteil vom 31. Januar 2023).
Auch die bloße Eignung einer Erfindung für einen zusätzlichen Zweck kann neuheitsschädlich sein – der BGH gab einer Entgegenhaltung recht, die ein Schornsteinrohr auch als geeignet sah, eine Feuerstätte und Schornstein zu verbinden (Urteil vom 6. Dezember 2022).
Dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden muss, zeigte Deichfuß einmal mehr anhand des Streits um einen Pulsationsdämpfer auf. Hier ging es um die Bedeutungen der Bezeichnung „integral“. Am gleichen Fall illustrierte Deichfuß die Auslegung des „Product by Process“-Anspruchs: „Die Kennzeichnung eines Erzeugnisses durch das Verfahren seiner Herstellung ist zulässig, wenn eine Kennzeichnung durch Parameter seiner Eigenschaften unmöglich oder gänzlich unpraktisch ist. Gegenstand des Patents ist trotz der Beschreibung durch das Herstellungsverfahren das Erzeugnis als solches, das unabhängig von seinem Herstellungsweg patentfähig sein muss.“ Der dadurch gewährte Schutz ist grundsätzlich unabhängig von der Art seiner Herstellung, so der BGH. Anderes gilt, wenn das Erzeugnis nur auf dem angegebenen Weg hergestellt werden kann (Urteil vom 16. April 2024).
Anregung tut not
Den nächsten Abschnitt seines Vortrags widmete Deichfuß verschiedenen Aspekten der Bestimmung des Offenbarungsgehalts. Anhand des Streits um einen Aufbaupfosten für ein Zahnimplantat hielt er fest, dass „für die Beurteilung der Neuheit der Gegenstand des Patents mit dem gesamten Inhalt einer Entgegenhaltung abzugleichen“ ist. Der Gegenstand ist nicht neu, wenn er in der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig offenbart ist. Dabei ist es unerheblich, so Deichfuß, ob dieser Gegenstand in der Entgegenhaltung überhaupt „als zur Erfindung gehörend“ offenbart ist (Urteil vom 6. Februar 2024).
Anhand des bereits erwähnten Streits um ein Staubsauger-Bauteil erläuterte Deichfuß, dass es dem BGH im Gegensatz zu den Vorinstanzen auch auf eine „fehlende Anregung“ ankomme: „Ausgehend von einer Entgegenhaltung, bei der mehrere funktionell zusammenwirkende Elemente einer Vorrichtung so ausgestaltet sind, dass sie allenfalls mit hohem Aufwand einstückig ausgeführt werden können, liegt eine einstückige Ausgestaltung nicht schon deshalb nahe, weil es dem Fachmann möglich ist, Form und Ausrichtung dieser Elemente so zu ändern, dass sie problemlos als in einem Zug spritzgegossenes Bauteil hergestellt werden können.“
Das Runde und das Eckige
Im Fußball gilt: Das Runde muss ins Eckige. Im Fall eines Schlossgehäuses hieß es: das Eckige muss ins Runde. Oder ins Omega-Förmige.
Konkret ging es um ein „abgewinkeltes Kontaktende mit auffedernder Ω-förmig ausgebildeter Klemmausnehmung“. Der Nichtigkeitskläger berief sich auf ein ansonsten sehr ähnliches Element, dessen Aufnahme aber eher eckig geformt ist. Der BGH verneinte die Beliebigkeit und wies die Klage ab: „Erfinderische Tätigkeit kann nicht auf ein Merkmal gestützt werden, das eine beliebige, von einem bestimmten technischen Zweck losgelöste Auswahl aus mehreren Möglichkeiten darstellt“.
Oder anders gesagt: ob das Eckige ins Runde muss oder aber ins Eckige, ist keinesfalls beliebig (Urteil vom 13. Juni 2023)!
Im letzten Teil ging es um das aktuell hoch spannende Thema „Erfinderbenennung und KI“. Wie lautet die richtige Erfinderbenennung, wenn geltend gemacht werden soll, die Erfindung sei von einer KI erzeugt? Erfinder im rechtlichen Sinne kann bekanntlich nur eine natürliche Person sein. Ein Grund dafür: „Ein System, das ohne jede menschliche Vorbereitung oder Einflussnahme nach technischen Lehren sucht, gibt es nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht“. Für die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder reicht dem BGH aber der Hinweis auf einen „Beitrag, der die Stellung als Miterfinder begründen kann“. Also gab er sich im konkreten Falle mit folgender Formulierung zufrieden: „XY (Name des Erfinders), der die künstliche Intelligenz (…) veranlasst hat, die Erfindung zu generieren“ (Beschluss vom 11. Juni 2024).
Bilder: DPMA
Stand: 16.12.2024
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