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Fachtagung BayernInnovativ 2022 im DPMA: Patente und Software
Auf dem Weg zum Paradigmenwechsel?
Künstliche Intelligenz (KI) und die Form ihrer Schutzfähigkeit bleibt das am meisten diskutierte Thema zwischen Wirtschaft und Recht. Dies verdeutlichte einmal mehr die Tagung „Patentierung von Software und Geschäftsmodellen“ im November im Deutschen Patent- und Markenamt. Gleichzeitig „boomen“ KI und Softwarelösungen weiter in Industrie und Gesellschaft und durchdringen immer mehr Bereiche der Technik und des Alltags. Zeit also für eine neuerliche, technologie- und branchenübergreifende Standortbestimmung.
In ihrer Begrüßung freute sich DPMA-Präsidentin Cornelia Rudloff-Schäffer, dass es nun wieder möglich sei, im DPMAforum „live“ zusammen zu kommen und sich persönlich auszutauschen. Wegen der Pandemie konnte die Veranstaltung 2020 gar nicht und 2021 lediglich online stattfinden. Rudloff-Schäffer würdigte die erfolgreiche Partnerschaft zwischen der Bayern Innovativ GmbH und dem Deutschen Patent- und Markenamt, die seit zehn Jahren besteht. „Dabei verfolgen wir gemeinsam ein Ziel: die Innovationskraft kleinerer und mittlerer Unternehmen in Bayern zu stärken.“
Diese Innovationskraft kann sich sehen lassen: Bayern liegt auf Platz zwei bei den Patentanmeldungen beim DPMA (hinter Baden-Württemberg). Bei den Anmeldungen beim Europäischen Patentamt steht Bayern gar auf Platz eins der Bundesländer. 7.656 Anmeldungen sind beim EPA 2021 aus Bayern eingegangen - das sind rund 4.000 weniger als beim DPMA.
Es sind laut DPMA-Präsidentin vor allem die Großunternehmen mit Sitz in Bayern - wie beispielsweise Siemens, Infineon, Audi, Schaeffler oder Krones, - die Patentschutz beim EPA suchen. „Für das Gros der Unternehmen – und dies sind nun mal mit 99% Anteil die KMU – ist und bleibt die Erstanmeldung beim DPMA aufgrund des Top Preis- Leistungsverhältnisses die erste Wahl“, so Rudloff-Schäffer. „Und dies umso mehr, als die Qualität der Patentprüfung von besonderer Wichtigkeit ist.“
Krise als neue Normalität?
„Krise scheint die neue Normalität zu sein“, so die DPMA-Präsidentin. „Krisen können aber auch Innovationen fördern: Geschäftsmodelle werden immer digitaler, sie verlagern sich immer mehr ins Netz. Und auch Künstliche Intelligenz, Algorithmen und Softwarelösungen nehmen bei Unternehmen und in der Gesellschaft immer mehr Raum ein.“
Und damit war die Tagung bei ihrem hoch aktuellen Kernthema angelangt. Den Reigen der Vorträge eröffnete Dr. Martin Müller, Vorsitzender einer technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts. Er sprach über „Patentierbarkeit von Simulationen und anderen computerimplementierten Erfindungen“. Letztlich laufe es immer auf Einzelfallentscheidungen, so die Quintessenz seines Vortrags. Eine der zentralen Fragen der Tagung – Kann KI als Erfinder anerkannt werden? – sei „in der Praxis irrelevant“: Für die Prüfung beim EPA sei das egal; Erfinder könne laut EPÜ nur eine rechtsfähige Person sein. Wie eine Erfindung entstand, sei „außerhalb der Kompetenz des EPA“.
KI sei dem EPA „noch nicht ganz geheuer“, analysierte Patentanwalt Bastian Best in seinem Beispiel-gespickten Vortrag „Software Patente in Europa - wie das EPA prüft“. Patente werden nur für einen nicht-naheliegenden technischen Beitrag (implied technical effect) erteilt– aber: was genau ist technisch? Dies sei die Grundsatzfrage bei allen KI-Anmeldungen, so Best. Angesichts des exponentiellen Anstieg der KI-Anmeldungen gebe es in der Prüfungspraxis „noch Verbesserungsbedarf“.
Augen auf bei der IP-Strategie!
Über die „Orchestrierung von faktischen und juristischen Schutzstrategien für Software und digitale Geschäftsmodelle“ sprach anschließend Prof. Dr. Martin A. Bader, Professor für Technologiemanagement und Entrepreneurship an der Technischen Hochschule Ingolstadt. Am Beispiel des „Thermomix“ und seiner Nachahmer illustrierte er, wie eine aufwändige und komplexe IP-Strategie dennoch ins Leere laufen kann, wenn sie nicht richtig auf das Business-Modell des Unternehmens ausgelegt ist. Lehrreich war auch seine Analyse von Kundenbindungs-Strategien am Beispiel „Nespresso“.
Umdenken erforderlich
Der wahrscheinlich anregendste (und möglicherweise einflussreichste) Vortrag kam von Beat Weibel, Head of IP bei Siemens. Er sprach über „Die Bedeutung von Softwarepatenten bei Siemens“. Das Unternehmen hat sich sehr gewandelt in den letzten Jahren: der riesige Mischkonzern, der lange Zeit vor allem für Hardware aller Art von der Brotmaschine bis hin zur Kraftwerksturbine stand, ist heute eines der zehn größten Software-Unternehmen weltweit. Da liegt es auf der Hand, dass Softwarepatente ein Thema sind, dass für den Konzern von größtem Interesse ist. Weibel gab daher in seinem Vortrag einige Impulse, die bisherige rechtliche Praxis zu überdenken.
Weibel widersprach seinem Vorredner Müller vom EPA im Hinblick auf die Praxisrelevanz der Frage von KI als Erinderin: Siemens nutze KI intensiv, so Weibel, und sie könne sich durchaus als kreativ erweisen. Es komme bereits zu Erfindungen, an denen keine natürlichen Personen mehr direkt beteiligt seien.
Aber wer kann dann bei Patentanmeldungen als Erfinder benannt werden, wenn nach jetziger rechtlicher Praxis nur natürliche Personen als Erfinder möglich sind? Weibel forderte einen Paradigmenwechsel: veränderte Herausforderungen erforderten Reformen. „Wir brauchen eine Antwort für KI-geschaffene Erfindungen, Designs, Software und andere Werke. Die Erweiterung des Schöpferbegriffes - Erfinder, Designer, Urheber - auf juristische Personen erscheint mir der beste Weg zu sein.“
„Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel: Nicht nur Menschen können kreativ sein“ (Beat Weibel)
Auch juristische Personen sollten also künftig Patente anmelden können, etwa Unternehmen. Weibel regt eine Rückkehr zur „Betriebserfindung“ an, wie es sie früher schon einmal gegeben habe. „Wir hinken patentrechtlich nach, sind nur zurückschauend“, so Weibel. „Vielleicht sollten wir Initiativen ergreifen, um neue gesetzgeberische Lösungen zu erlangen!“
Der „Gordische Knoten“ lasse sich lösen, indem IT vollumfänglich als patentfähige Technik anerkannt werde. Er forderte „agile, schnelle und europaweite Registrierungssysteme für Software-Erfindungen, um Inhaber und Umfang der Idee dokumentieren zu können“. Außerdem regte er eine Erweiterung des Gebrauchsmuster-Schutzes auf Verfahren an. Man darf gespannt sein, ob diese Ideen Wirkung zeigen.
Uwe Herrmann, Patentprüfer beim DPMA, sprach über die „Patentierung von Software und Geschäftsmethoden“ in seinem Haus. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis (etwa Ad-Blocker, Energy-Harvester) stellte er dar, wie jeweils bewertet werde, ob eine „erfinderische Tätigkeit“ gegeben sei oder nicht.
Ebenfalls mit vielen Fällen aus der Praxis illustrierte Alexander Ritter von der Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft aus München seinen Vortrag „Durchsetzbarkeit von Patenten gegen Software“, in dem er besonders auf die rechtlichen Mittel zur Beweisgewinnung und Aspekte des Territorialitätsprinzips einging.
Interdisziplinäre Kommunikation als Nadelöhr
„Digitale Geschäftsmodelle schützen“ hieß es im Vortrag von Dr.-Ing. Yvonne Wich (Fraunhofer-Gesellschaft) und Annegret Schmid (Patentcoach, Stuttgart). Beide diskutierten den Unterschied zwischen Geschäftsmodellen mit digitalen Prozessen und echten digitalen Geschäftsmodellen. Das Zusammenspiel unterschiedlicher Merkmale führe dazu, dass viele digitale Geschäftsmodelle nicht oder nur unzureichend durch gewerbliche Schutzrechte geschützt werden. Sinnvolle Schutzmöglichkeiten müssten daher frühzeitig evaluiert und beantragt werden. Das Nadelöhr dabei ist oft die Kommunikation zwischen den Fachleuten der Technik, des Produktmanagements und des IP-Rechts.
Zum Abschluss versuchte sich Patentanwalt Thomas L. Lederer nochmal an einer schärferen Definition on KI und gab Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung.
Ständiger Wandel und Weiterentwicklung – das sind die Kennzeichen dieser immer noch recht jungen Gemengelage aus Technik und Recht. Und letztlich gehe es, da war es sich mit manchem Vorredner einigen, immer um die eine Frage: was ist „technisch“?
Text: JBP; Bilder: DPMA
Stand: 25.10.2024
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